Das Gespinst des Bösen
Von dieser Mrs. Morningwood. Es war … seltsam.»
«Aber es hat gewirkt?»
«Irgendwas hat gewirkt. Glaube ich. Hat mich nur ein bisschen außer Gefecht gesetzt. Nach ein paar Momenten seltener Klarheit bin ich wieder müde und verwirrt, aber, ja, ich fühle mich besser.»
«Merrily –»
«Bei diesem Job geht es nie geradeaus. Man dreht irgendeinen Stein um, und schon kriecht etwas hervor. Ist dir Lord Stourport mal begegnet?»
«Lord …?»
«Stourport.»
«Also, wir haben uns natürlich bei dem ein oder anderen Empfang mal zugenickt», sagte Lol. «Bei Gartenpartys im Buckingham Palace und so …»
«Dann hast du also nie von ihm gehört.»
«Nein.»
Merrily atmete tief ein und erzählte ihm dann detailliert von Lord Stourports Zeit im Meisterhaus und seinen angeblichen Verbindungen zur Musikbranche. Von Mary Linden vor fast dreißig Jahren. Es war gut, darüber zu sprechen.
«Wir glauben, dass sie missbraucht wurde.»
«Wie, missbraucht?»
«Weiß nicht. Ich weiß gar nichts mit Sicherheit. Nicht mal, wie viel davon reine Phantasie ist. Drogen. Ich meine, es ist sehr lange her, aber das Ganze gefällt mir trotzdem nicht.»
«Wie wär’s, wenn ich Prof mal nach dem Typen frage?», sagte Lol.
«Prof. Natürlich. Das wäre … was zum
Teufel
ist das?»
Ihr Kopf konnte den Lärm nicht einordnen, aber die Vibration brachte sie auf die Beine.
«Alles o.k., Merrily?»
«Das …» Sie fing an zu lachen. «Das ist ein Gong. Es gibt Abendessen.»
«Ferienpension aus alten Zeiten», hatte Lol gesagt. «Bin
ich
neidisch.»
Die Murrays hatten etwas angestrengt Förmliches an sich. Als wäre sie ein Kind, das sie vielleicht adoptieren wollten.
«Ich hoffe, ich darf das sagen, Merrily, Sie wirken so … schläfrig. Ich habe mir heute Morgen wirklich Sorgen um Sie gemacht. Jetzt sehen Sie nicht mehr so elend aus, aber immer noch erschöpft. Und, Teddy,
bitte
sag jetzt nichts über die gute Luft in Gottes Wochenendrefugium.»
«Das liegt wohl daran», sagte Merrily, «dass ich heute eine … Behandlung hatte.»
Sie erzählte ihnen von Mrs. Morningwood. Warum auch nicht. Reflexzonenmassage war schließlich nichts Ehrenrühriges.
Beverley runzelte die Stirn. Teddy schien fasziniert zu sein.
«Und das hat etwas genützt? Weil ich nämlich selbst schon überlegt hatte, mich mal von ihr behandeln zu lassen. Es spricht ja einiges für präventive Therapien. Beverley ist sich da allerdings nicht so sicher, oder, Bevvie?»
Beverley antwortete erst, als sie damit fertig war, den Nussbraten, die Zwiebelsoße und das Gemüse auf die Teller zu verteilen.
«Das hat mit alternativen Therapien nichts zu tun, an denen ist sicher was dran. Ich weiß einfach nie, was ich von Mrs. Morningwood halten soll.»
«In welchem Zusammenhang?»
Merrily merkte, dass sie großen Hunger hatte, ihr Körper lechzte nach etwas zu essen. Beverley setzte sich und strich sich eine blonde Strähne aus der Stirn.
«Ach, was man so hört. Um es mal so zu sagen: Wenn Teddy tatsächlich hinginge, würde ich zusehen, dass ich mitkomme.»
Merrilys Gabel stoppte kurz vor ihrem Mund.
«Sie ist eine Femme fatale», sagte Beverley. «Behaupten die Leute jedenfalls.»
«Mrs. Morningwood?»
«Mir erscheint sie dafür eigentlich etwas zu … abgerissen. Exzentrisch, verwirrt. Wie sie mit diesem großen Jeep zu schnell um die Kurven fährt. Entschuldigung, ich meine nicht verwirrt, ich meinte
durcheinander
», sagte Beverley.
«Also, zu mir hat niemand so was gesagt. Außer dir natürlich, Bevvie», sagte Teddy.
«Na, das würde wohl auch kaum jemand tun.»
«Du meine Güte», sagte Merrily.
Sie aß langsam und glaubte dabei jedes einzelne Gewürz in dem Nussbraten zu schmecken.
Gerüchte. Oft zeigten sie den direkten Weg zu … wenn nicht zur Wahrheit, dann doch in ihre Nähe. Sie sah Beverley an.
«Und über wen genau sprechen wir hier? Mrs. Morningwood und … wen?»
«Ach je.» Beverley goss sich Wasser aus einer Kristallkaraffe ein. «Ich wünschte, ich hätte nicht …»
«Ah, jetzt hast du damit angefangen …» Ein leicht boshaftes Funkeln in Teddys blauen Augen. «Jetzt kannst du es uns nicht
nicht
sagen, Bevvie.»
Er wusste es natürlich. Sie mussten dieses Gespräch schon einmal geführt haben, und jetzt wiederholten sie es, für sie, und gaben etwas an Merrily weiter, dessen sie sich ihrer Meinung nach bewusst sein sollte.
«Bauern. Wurde mir
gesagt
», sagte Beverley.
«Bauern im Plural?» Merrily
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