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Das Geständnis der Amme

Das Geständnis der Amme

Titel: Das Geständnis der Amme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Krohn
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Jahre alt damals, ein hübsches, aufgewecktes Kind. Er wurde am fränkischen Königshof erzogen, und lange bevor ich seinen Vater heiratenmusste, tobten wir manchmal durch die Gänge der verschiedenen Pfalzen.«
    Balduin blickte verwundert auf. Wahrscheinlich konnte er sich nicht vorstellen, dass sie, die er doch meistens als steif und beherrscht erlebte, jemals umhergetobt war. Judith musste unwillkürlich lächeln.
    »Nun, bei meiner Hochzeit aß er wohl zu viel, er übergab sich noch im Saal, inmitten der Gäste. Es war das einzige Mal an diesem Tag, da ich mich nicht fühlte, als ginge ich meiner Hinrichtung entgegen.«
    Balduin nickte, senkte dann seinen Blick. Sie konnte sich vorstellen, was in ihm vorging, nun, da sie die Kapelle verlassen hatten, am Hofe standen und nicht sicher waren, wohin sie sich wenden sollten. Würde der Graf weiterhin die Tür vor ihnen verschlossen halten? Würden sie beim Bischof Unterschlupf finden? Und … würden sie sich gemeinsam zur Nachtruhe betten?
    »Anstrengende Tage stehen uns bevor«, murmelte er verlegen. »Ich werde mich bemühen, dass zumindest für dich ein Gemach bereitet wird. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Graf es wagt, eine Königin fortzujagen.«
    Sie nickte und gestand sich erst jetzt ein, wie erleichtert sie war, dass er nichts anderes forderte. Hastig ließ er sie am Arm los, wo er sie eben noch gehalten hatte, und trat zurück
    »Balduin«, erklärte sie da fest. »So es denn sein muss, schlafe ich auch im Stall oder in den Vorratskammern. Wenn du versuchst, mit dem Grafen zu reden, solltest du es nicht um meinetwillen, sondern um deinetwillen tun. Wer weiß, ob ihr euch jemals wieder begegnet. Lass nicht zu, dass ihr in Unfrieden voneinander scheidet. Hast du mir nicht erzählt, er sei wie ein Vater für dich?«
     
    Graf Robert von Laon starrte auf seinen Siegelring, als sähe er ihn zum ersten Mal. Er zeigte das Wappen seiner Familie – der Vorfahren, in deren Kette er sich hatte einreihen wollen, ohne ihnen Schande zu machen. Er fühlte nicht den üblichen Stolz, nur Dumpfheit. Den ganzen Tag über schon schienen seine Gedankenwie erloschen – was nur allzu gut war, wie er befand, sie wären ja doch nur um Balduin gekreist, den Missratenen.
    Der Siegelring … Er hielt immer noch den Siegelring in der Hand, obwohl er ihn eigentlich längst auf das Wachs hätte drücken sollen, das den Brief verschloss. Er hatte zu lange gezögert, mittlerweile war es gewiss zu hart geworden. Das dachte sich wohl auch Gerold, der die ganze Zeit neben ihm stand, ihn beobachtete, aber ihm das Zögern nicht zum Vorwurf machte, so, als wäre er ein uralter Mann, den man zu schonen habe, nicht mehr Herr seiner Sinne.
    Graf Robert fühlte sich auch alt. Das war letzten Monat so gewesen, als Alpais ihn drängte, Gerold doch das Erbe zu übergeben und den Lebensabend im Kloster zu verbringen, und hatte sich verstärkt, als die Nachrichten über Balduin kamen. So ehrenvoll die Klosterpläne waren, so bitter waren die Neuigkeiten.
    Endlich drückte er den Siegelring auf das Wachs, doch anstatt diesem die Form einzupressen, bröckelte es nur.
    Nicht einmal das bringe ich zustande, dachte Graf Robert, … und Balduin, ich habe auch Balduin meinen Stempel nicht aufdrücken können. Tu deine Pflicht. übe dich, wenn nötig, in Verzicht. Sei ein braver Sohn.
    In dem Brief, der an den König gerichtet war, stand, dass er sich für den Ziehsohn schämte, jedoch auch, dass er ihn seit Monaten nicht gesehen hätte.
    Was nicht der Wahrheit entsprach. Er hatte ihn gesehen, wie er da unten im Hof stand und nicht begreifen wollte, warum er ihm keinen Einlass gewährte. Ja, nicht einmal das war Balduin bereit zu tun: ihn zu verstehen, einfach den Mund zu halten, sich damit zufriedenzugeben, dass er seinetwegen den König anlog. Obwohl er das nicht wissen konnte.
    Und die Frau, er hatte auch die Frau gesehen: Königin Judith, die nicht aussah wie eine Königin, vielleicht noch ihrer Haltung nach, ganz gewiss jedoch nicht, was ihr Gewand anbelangte. Vielleicht war sie schön, doch in ihr Gesicht hatte er nicht sehen können … nicht sehen wollen.
    Gerold räusperte sich. Der Graf erwartete, er würde ihn dazu drängen, neues Wachs zu schmelzen, doch stattdessen stellte der Neffe eine unvermutete Frage: »Weißt du … weißt du etwas von Johanna?«
    »Was soll ich denn von Johanna wissen?«, gab Robert mürrisch zurück.
    Gerold war sichtlich unbehaglich zumute, aber er zögerte nicht

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