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Das Geständnis der Amme

Das Geständnis der Amme

Titel: Das Geständnis der Amme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Krohn
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fortzufahren. »Nun, sie ist Balduin nach Senlis nachgereist, aber nicht mit ihm zurückgekommen. Was bedeuten könnte, dass er sie nicht in seine … Pläne eingeweiht hat.«
    »Was geht’s mich an!«, schnaubte Robert.
    Gerold zuckte die Schultern. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass es dich kalt lässt, ihn so nah zu wissen … und zugleich so fern.«
    Graf Robert drehte sich erstaunt um. Bislang hatte Gerold nicht zu erkennen gegeben, was er von Balduins Verrat am König hielt. Ob er vor Scham verging, weil jener schließlich von klein auf sein Waffengefährte gewesen war, ob er sich heimlich freute, weil er solcherart den Rivalen in der Gunst des Grafen ausstach, oder ob es ihm gleichgültig war, wie ihm ja so vieles gleichgültig war. Zumindest, wenn man von seiner ausdruckslosen Miene auf seinen Gemütszustand schloss.
    Jetzt blickte er nicht ausdruckslos, sondern mitleidig. Der Graf fühlte, wie ihm die Kehle eng wurde, und kämpfte sogleich gegen das Gefühl von Rührung an.
    »Warum kümmert dich das?«, fuhr er ihn an. »Du hast Balduin nie leiden können!«
    »Das ist nicht wahr!«, gab Gerold entschlossen zurück. »Ich habe mit ihm die Kriegskunst erlernt, und als wir damals dachten, er sei tot, da …«
    »Aber er war nie dein Freund!«, unterbrach ihn Robert unwirsch. »Du hattest immer Angst, ich könnte ihn an deiner Statt zu meinem Erben machen.«
    »Darüber mache ich mir keine Sorgen mehr. Ich mache mir auch keine Sorgen um ihn. Er wusste wohl, was er tat. Aber um dich …«
    Der Graf senkte seinen Blick. Seine Verwirrung wuchs, so offen hatte Gerold noch nie mit ihm gesprochen. Er war ihm stets so nichtssagend erschienen, gleichgültig, kühl. Natürlich auch pflichtbewusst. Eigentlich hätte er ihn dafür lieben müssen, dass Gerold sein Leben anging wie er das seine, sich Gottes Walten unterwarf, sich niemals aufrührerisch zeigte, sondern tüchtig. Aber Gerold hatte er nie geliebt …
    Der Graf war erleichtert, als es an der Tür klopfte und er dadurch der Pflicht entledigt war, dem Neffen eine Antwort zu geben. Umso entsetzter reagierte er jedoch, als nicht ein Sekretär oder Notar oder Dienstbote eintrat, sondern ebenjener, um den seit Tagen seine Gedanken kreisten.
    Er sprang so heftig auf, dass die Briefrolle über den Tisch fiel und direkt vor Balduins Füße rollte. »Was zum Teufel?«, schrie der Graf unbeherrscht.
    Balduin bückte sich, ergriff den Brief und hob ihn auf. Unsicher hielt er ihn eine Weile in den Händen, legte ihn dann zurück. Er mied Graf Roberts Blick, als jener ihn leichenblass anstarrte, aber er forderte entschlossen: »Schick mich nicht fort! Schick mich bitte nicht fort!«
    Gerold ließ sich nicht anmerken, was er von Balduins Dreistigkeit hielt, einfach an diesem Ort zu erscheinen. Während der Graf mit sich rang, nicht wusste, was ihn tiefer verärgerte – dass Balduin sich seinem Verbot widersetzte, zu ihm zu kommen, oder dass sein Leibknecht es nicht verhindert hatte –, nickte Gerold knapp in beide Richtungen und verließ eilig den Raum.
    »Gerold …«, versuchte Robert ihn noch aufzuhalten, hilflos jetzt, als wäre er ganz allein einer riesigen übermacht ausgeliefert. Und es war doch nur Balduin, der nun die Arme über der Brust verkreuzte und endlich wagte hochzublicken. Nun senkte der Graf die Augen.
    »Bitte, schick mich nicht fort«, wiederholte Balduin, und diesmal bebte seine Stimme ein wenig. »Ich werde Laon morgen verlassen, das verspreche ich dir. Niemand muss erfahren, dass wir uns begegnet sind. Aber heute Abend will ich … hier bei dir sein.«
    Robert trat zurück, suchte jenes Fleckchen im Raum, wo er am weitesten von Balduin entfernt stehen würde. Er schüttelte den Kopf, langsam zuerst, dann immer schneller, um Balduins Worte nicht an sich heranzulassen.
    Wenn er nichts sagte … wenn er einfach schwieg, durch ihn hindurchsah … vielleicht würde er gehen …
    Doch dann konnte er sich nicht beherrschen. Die Wut, das Unbehagen und die Enttäuschung brachen aus ihm hervor. »Ich bin nie so fromm gewesen wie Alpais«, setzte Robert heiser an. »Das stundenlange Knien in der Kirche oder beim Gebet machte mich immer unendlich müde. Aber ich denke: Gott hat sich etwas dabei gedacht, als er den Menschen seine Gebote gab. Ich habe meinen Vater geehrt, indem ich ihm nachfolgte, obgleich ich solche Angst davor hatte. Ich habe an Alpais festgehalten, obwohl sie keine Kinder gebären konnte, weil der Allmächtige selbst diesen Bund

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