Das Geständnis der Amme
geschlossen hat. Unfruchtbarkeit muss nicht Ausdruck von Sünde sein, sondern ein Zeichen der Prüfung, hat mir Bruder Ambrosius einmal erklärt. Und Prüfungen sind da, um sie zu bestehen.«
Er hörte Balduins Schritte, als der langsam nähertrat. »Welche Prüfung habe ich nicht bestanden?«, fragte Balduin, und dann setzte er ein Wort hinzu, das er noch nie zu Graf Robert gesagt hatte: »Vater.«
Robert zuckte fast unmerklich zusammen. Was sah Balduin, wenn er ihn betrachtete? Einen stolzen, tüchtigen Mann? Oder einen grauen, verhärmten?
»Er ist der König!«, murrte er dumpf. »Sein Amt ist ihm von Gott selbst anvertraut worden! Gegen einen König lehnt man sich nicht auf! Man raubt ihm nicht die Tochter!«
Schweigen senkte sich über sie, anfangs verlegen, dann immer hoffnungsloser. Vor wenigen Augenblicken noch hatte der Graf erwartet, Balduin würde gehen, wenn er ihn einfach mit Missachtung strafte. Nun fragte er sich, wie er das ertragen könnte, wie er damit weiterleben würde, wenn es … so endete. Er presste die Lippen zusammen, genauso trotzig wie Balduin es als Kind oft getan hatte – und eigentlich auch noch als Erwachsener.
Balduin war es schließlich, der das Schweigen brach und ihn erlöste. »Du siehst es so, und das verstehe ich«, murmelte er. »Aber gesetzt den Fall, ich hätte tatsächlich schwer gesündigt. Wirst du mir vergeben? Kannst du es?«
»Ich habe immer meine Pflichten … «
»Es geht nicht darum, ob du deine Pflichten erfüllst, Vater. Es geht darum, ob du mich lieben kannst, wenn ich die meinen verweigere.«
Der Graf zögerte. Vorhin, als er auf Gerolds Mitleid gestoßen war, hatte sich seine Kehle zusammengezogen. Jetzt war ihm, als würde er ersticken. Die Luft umgab ihn wie eine harte, eisige Wand.
Balduin trat durch diese Wand hindurch, ging einfach auf ihn zu, viel näher, als er es ihm gestatten wollte. Robert rang nach Atem. Der Druck auf seiner Brust wurde noch größer, und dann … dann umarmte Balduin ihn, hilflos und ungelenk, aber mit festem Willen. Er war größer als er, das hatte er noch nie bemerkt, sein Leib war sehnig, kräftig … und warm.
Graf Robert schluchzte auf und konnte wieder atmen, obgleich er sich der Tränen schämte, die in seine Augen traten. »Ich hätte so gerne einen Sohn wie dich gehabt«, stammelte er, »so gerne. Warum hat Alpais mir nur keinen gebären können? Warum hat Gott mir verwehrt, was ich am dringlichsten wollte? Ich habe … ich habe doch nie etwas getan, was ihm missfallen könnte.«
»Aber du hast doch einen Sohn«, sagte Balduin ruhig und hielt ihn fest. »Du hast mich. Du warst für mich da, mehr als es Audacer jemals war.«
Der Graf löste sich von ihm, wischte sich verstohlen über die Augen, um seine Tränen zu verbergen.
»Gott segne dich, Balduin!«, sprach er heiser und ohne aufzublicken. »Gott segne dich. Nach allem, was geschehen ist, wirst du die Hilfe des Allmächtigen bitter nötig haben.«
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XX. Kapitel
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Sie verließen Laon im frühen Morgengrauen und ritten fortan gen Osten. Sie kamen nur mühsam voran, denn sie nutzten nicht die Hauptstraße, die Senlis und Köln verband, sondern kleine Waldwege, die Balduin von früheren Reisen kannte und die nicht auf den
Itinerariae –
Straßenkarten, wie sie noch aus der Römerzeit stammten – eingeschrieben standen. Graf Robert hatte ihnen angeboten, einige seiner Männer als Eskorte mitzuschicken, doch Balduin hatte abgelehnt. Er war sich nicht sicher gewesen, ob sich in des Grafen Gesicht danach Erleichterung oder Sorge ausgebreitet hatte. In jedem Fall hatte er ihm nicht widersprochen, als Balduin bekräftigte, ihn und seinen Ruf nicht gefährden und darum auf alles verzichten zu wollen, womit sich eine Verbindung zwischen ihnen beiden belegen ließe. Vor dem König, geriete er denn in dessen Hände, würde er stets bekennen, dass er, Graf Robert, ihn unversöhnlich fortgeschickt habe.
Wenigstens stellte Robert ihnen Pferde zur Verfügung, kräftige, wenngleich nicht sehr groß gewachsene Arbeitstiere, die nicht nur mühelos die Last ihrer Körper trugen, sondern auch die Körbe rechts und links, die mit Nahrung und warmer Kleidung gefüllt waren.
In den ersten Stunden ihres Ritts fielen die Wortwechsel zwischen ihm und Judith knapp aus. Es ging um ihre Reiseroute, ihren Proviant, ihre Pferde – jedoch nicht um die Tatsache, dass sie verheiratet waren. Wenn Balduin ihr dann und wann einen Seitenblick zuwarf – sie trug zwar keine
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