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Das Geständnis der Amme

Das Geständnis der Amme

Titel: Das Geständnis der Amme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Krohn
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ihre Gestalt. Fast dankbar schloss er die Augen.
    »Lass mich schlafen«, raunte er als Letztes, »lass mich schlafen.« Die Dunkelheit, in die er eindrang, kannte weder Flammen noch Eis, weder Stimmen noch Schatten. Die Dunkelheit war schwarz … und leer.
     
    Judith sah Johanna zu, wie sie Wertmutwein zubereitete. Er war ein Heilmittel gegen innere Schmerzen und Entzündungen.Johanna sprach laut das Rezept, um nichts zu vergessen: »Ein halber Karat Wermut, sechs Skrupel Kostwurz, fünf Skrupel Mastix, sieben Skrupel Lärchenschlamm, zwölf Skrupel Aloe, zwei Schoppen Honig, zehn Schoppen Wein … Eigentlich«, sie blickte auf, »eigentlich müsste man die Zutaten nun zwanzig Tage ziehen lassen, aber so viel Zeit bleibt nicht. Balduin muss ihn lauwarm trinken.«
    »Er will mich nicht sehen«, sagte Judith.
    Judith wandte Johanna den Rücken zu. Sie sahen sich selten in die Augen, als würde ein verräterischer Blick womöglich das Bündnis zerstören, das sie geschlossen hatten, und alte Feindseligkeit aufflackern lassen. Zwar war von jener nichts zu spüren, seit dem Tag in Rom nicht mehr und schon gar nicht in der bangen Zeit, da sie gemeinsam um Balduins Leben gefürchtet hatten. Doch sie vermochten es nicht, einander ohne Scheu zu begegnen.
    »Gib ihm Zeit, sein Geist ist wie gelähmt. Wenn er erst wieder genesen ist, dann wird er begreifen, was du für ihn getan hast.«
    Judith zuckte die Schultern. Sie war schmal geworden. Spitz standen die Knochen hervor, auch ihr Brustbein. »Du hast ihn geheilt … nicht ich. Ich … ich habe es doch fast nicht ertragen, ihn auch nur anzusehen.«
    Johanna machte einen vorsichtigen Schritt in ihre Richtung, als wollte sie zu ihr treten, schien es sich aber dann doch anders zu überlegen. »Du hast Tag und Nacht bei ihm gewacht. Und ich bin sicher, es hat dazu beigetragen, dass …« Sie sprach es nicht aus. Solange sie vollkommen darin aufgegangen war, Balduin zu retten, hatte sie niemals angedeutet, dass er sterben könnte, und nun, da das Schlimmste ausgestanden schien, wollte sie es ebenso wenig. »Bring das zu ihm!« Sie deutete auf den Becher mit dem stark riechenden Gesöff. »Und gib ihm später auch ein wenig Brühe. Er muss zu Kräften kommen.«
    Judith folgte ihrer Aufforderung stillschweigend, aber kraftlos. Zögernd gerieten die Schritte, die sie zur Krankenstube führten. Es war das eine, bei Balduin zu wachen, während er noch im Fieber gefangen lag. Etwas anderes war es, nun seine Gegenwart zusuchen, da sein Blick stets gleichgültig auf ihr ruhte. Sie wusste nicht, ob er sich ihr mit Absicht verschloss, oder ob die Verwundung einfach nur sämtliche Erinnerung ausgelöscht hatte – an ihr Zerwürfnis ebenso wie an die Zeit, da er noch liebevoll zu ihr gewesen war.
    Weder grüßte er sie, wenn sie eintrat, noch hob er den Kopf. Beinahe erleichtert stellte Judith fest, dass sie nicht allein mit ihm war, sondern Ovida am Krankenbett hockte.
    Solange es nicht sicher gewesen war, ob Balduin durchkommen würde, und seine Wunde ständig geblutet hatte, hatte Gerold seiner Gattin die Anwesenheit im Krankenzimmer untersagt. Nun fühlte sich die junge Frau offenbar verpflichtet, das Versäumnis nachzuholen.
    Doch als sie Judith sah, sprang sie auf. »Ich lass euch allein«, erklärte sie schnell, ehe Judith sie zum Bleiben auffordern konnte.
    Seufzend trat Judith an das Bett. Die Luft stand stickig und schweißerfüllt. Obwohl die Laken regelmäßig ausgetauscht wurden, waren sie feucht und fleckig. Johanna hatte irgendwelche Kräuter und Samen in die Flammen des Feuers geworfen, damit die Luft erträglicher wurde, aber den Gestank nach Krankheit und Tod konnten sie nicht vertreiben.
    »Hier …«, murmelte Judith, »von Johanna.«
    Balduin machte keine Anstalten, den Becher entgegenzunehmen, und Judith scheute davor zurück, ihm diesen einfach an die Lippen zu setzen. Immerhin schienen seine Augen ein wenig lebendiger als zuletzt, auch wenn er an ihr vorbeiblickte. Sie stellte fest, dass es ihr wehtat – ein schlichter, nackter Schmerz. Keine Kränkung mischte sich darunter, keine Verachtung, nur jene Traurigkeit, die kaum tiefer hätte ausfallen können, wäre er gestorben. Zugleich fühlte sie Ohnmacht. So unfähig er war, ihr ins Gesicht zu sehen, so wenig konnte sie sich einfach an seine Bettkante setzen und seine Hand ergreifen. Sie mied seinen Körper, ohne zu wissen, was sie von einer Berührung abhielt: schlichter Ekel vor dem Kranken, die Erinnerung an

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