Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Geständnis der Amme

Das Geständnis der Amme

Titel: Das Geständnis der Amme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Krohn
Vom Netzwerk:
sein Zusammensein mit Madalgis oder die eigene Steifheit.
    »Ich habe ein Bündnis mit Rorik geschlossen«, setzte er unwillkürlich an.
    Überrascht hob sie die Brauen. In den letzten Tagen, da er das Bewusstsein wiedererlangt hatte, hatte er kaum ein Wort zu ihr gesprochen.
    »Ich weiß«, gab sie nach einer Weile zurück, da sie sich wieder gefangen hatte. »Mein Vater weiß es auch. Als du … als du fort warst, hat er ausgerechnet meinen Bruder Ludwig geschickt, um dir ein Angebot zu machen. Er will dir dein Lehen zurückgeben … und er will endlich unsere Ehe akzeptieren, vorausgesetzt, du verpflichtest dich, das Bündnis mit Rorik zu brechen und gegen ihn zu kämpfen.«
    Sein Blick verhärtete sich. »Ich dachte, du würdest mich mit Vorwürfen überhäufen, weil ich diese Reise unternommen habe, ohne mit dir darüber zu sprechen. Aber ich sehe, du kämpfst um deine Zukunft wie ich um die meine. Was wärst du schon an meiner Seite, wäre ich ein Vasall der Normannen? Beuge ich mich hingegen deinem Vater, bist du in allen Ehren wieder aufgenommen.«
    Sie schüttelte bestürzt den Kopf. »Balduin, glaub mir, ich suche nicht den Frieden mit meinem Vater.«
    »Bist du dir sicher? Nur in seinem Bannkreis kannst du auf mich herabsehen, weil ich nichts weiter bin als ein Graf. Ich bin es so leid, so überdrüssig …«
    Er wandte seinen Kopf immer weiter von ihr ab.
    »Bist du meiner auch … überdrüssig?«, fragte sie leise.
    Sein Atem war schwer, schien ihm immer noch große Schmerzen zu bereiten. »Du hast mich zuerst verflucht, Judith. Vergiss das nicht.«
    Er schloss die Augen.
    »Was willst du tun?«, fragte sie hilflos, aber er gab keine Antwort mehr.

----
XXXVII. Kapitel
----
    Lass die Sonne nicht scheinen, dachte Judith, ich will nicht, dass die Sonne scheint …
    Damals, als sie sich das letzte Mal in Verberie aufgehalten hatte, war es heiß gewesen. Sie hatte in jener Pfalz des Königs Ethelwulf geheiratet, und sie war sich sicher, dass ihr Vater nicht zufällig genau diesen Ort für die Zusammenkunft auserwählt hatte. Er wollte sie an eine Zeit gemahnen, da sie noch eine gehorsame Tochter gewesen war und einen Ehemann genommen hatte, den er ihr vorgeschrieben hatte.
    Das Wetter stand auf ihrer Seite. Nichts erinnerte an diesem Tag Ende Oktober an ihre damalige Hochzeit: Der Himmel war bedeckt, die Luft nicht trocken, sondern feucht. Trotzdem bestürmten sie Erinnerungen, gar nicht so sehr an die Hochzeit mit Ethelwulf, sondern an ihr Leben am Königshof, als sie noch ein kleines Mädchen gewesen war.
    Sie hatte gemeinsam mit der Mutter und den Geschwistern nicht so häufig reisen müssen wie der Vater. Oft waren sie über Monate in der gleichen Pfalz geblieben, auf dass ihre Erziehung vom vielen Unterwegssein keinen Schaden nähme. Und doch gab es immer Momente wie diesen – Momente der Ankunft an einem Ort, an dem man sich erst zurechtfinden musste. Freilich, im Grunde sah es überall gleich aus. Mal war es sauberer, mal schmutziger, mal prächtiger, mal stinkender, aber die Aufteilung der Räumlichkeiten war stets dieselbe: Da gab es das Wohnhaus des Königs, aus Stein errichtet wie ansonsten meist nur die Kapelle. Diverse Hallen befanden sich darin, die größte davon warder Saal des Königs, wo er Audienz hielt. In Verberie, so hatte sie es noch im Kopf, zeigten die dortigen Wandgemälde die Helden der Antike. Dann gab es noch den Empfangsraum, in dem der König ausschließlich die engsten Vertrauten traf, und den Esssaal, wo die Feste gefeiert wurden. Die vielen kleinen Räume im ersten Stock dienten als Schlaf gemacher. Und Thermen gab es, wenngleich hier kleiner als anderswo, eine Hofkapelle, wo damals auch ihre Trauung stattgefunden hatte, und die Wirtschafts-gebäude: Küche und Getreidespeicher, Scheunen, Bäckerei und die Stallungen.
    Ebenjene hatten sie erreicht, doch keiner der Stallknechte kam ihnen entgegen, um den Damen vom Pferd zu helfen. Judith erkannte alsbald, warum es so war. Einer der Männer, dessen prächtige Kleidung – seine Tunika war mit Seidenstreifen umgeben, sein gefibelter Umhang blau – ihn als
Comes stabuli
auswies und der sich persönlich um die Pferde des Königs kümmern musste, hatte offenbar den Befehl ausgegeben, der eintreffenden Königstochter samt ihrem Gefolge keine Beachtung zu schenken.
    »Großartig!«, murrte Judith unwillkürlich. »Mein Vater bezweckt offenbar, uns von Beginn an bloßzustellen.«
    Es waren die ersten Worte seit ihrer Abreise, die

Weitere Kostenlose Bücher