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Das Geständnis der Amme

Das Geständnis der Amme

Titel: Das Geständnis der Amme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Krohn
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sein, sondern zu ahnen, dass er das verdient hatte.
    »W-w-wie auch immer«, fügte er hinzu. »Dann steht euch nichts mehr im W-W-Wege, um g-g-glücklich zu sein.«
    Judith blickte ihn an. »Sag, Ludwig«, bemerkte sie trotzig, »wem gönnst du dieses Glück, von dem du sprichst, eigentlich weniger? Deiner Schwester oder deinem Freund Balduin?«
    Das Lachen, mit dem er antwortete, klang ausnahmsweise echt und leicht. »Ich ho-ho-hoffe, du w-w-w-wirst deine scharfe Zunge auch in Anwesenheit des K-K-Königs nicht bändigen. Vielleicht ge-ge-gelingt es dir sogar, ihm mehr zu-zu-zuzusetzen als Roriks Werben um Balduin.«
    Auch Judith wollte lachen, aber es erstarb ihr im Mund. Ovida, von der sie eigentlich gedacht hatte, sie würde sich endlich an die Tafel setzen und sich ausruhen, war zu ihr getreten, und in ihrem Gesicht stand noch mehr Aufregung als zuvor. Der rote Kopf schien ihr zu platzen.
    »Meine Königin …«, setzte sie an.
    »Ach Ovida, mein Bruder verträgt Trockenfleisch und …«
    Judith hielt inne, als sie gewahrte, dass Ovidas Lippen zitterten und ihre Augen sich mit Tränen füllten.
    »Meine Königin …«, setzte sie noch einmal an.
    Judiths Brust verkrampfte sich.
    »Hast du Nachricht von Balduin?«
    Ovida schluchzte auf, aber brachte kein Wort mehr hervor. Gerold war an ihre Seite getreten, stützte die schwangere Frau. Auch seine Miene war voller Gram, wenngleich jenes Gefühl wohl nicht sonderlich tief reichte.
    »Es tut mir leid«, murmelte er und deutete auf den Eingang des Saals. Ein Raunen ging durch den Saal, indessen Judith mit einem Aufschrei zu ihrem blutüberströmten Mann stürzte, der reglos auf einer Bahre liegend hereingeschleppt worden war.
    Eyvindr war zurückgekehrt. Balduin konnte ihn in jedem mühseligen Atemzug spüren. Mal war seine Berührung weich und liebevoll, mal eisig, mal heiß wie Feuer. Er war nicht sicher, ob sein Kommen bedeutete, dass er ihm helfen wollte, so wie einst, als er seine Wunde gepflegt hatte, oder ob er sich zu rächen und ihn zu vernichten suchte wie sein Bruder, wenngleich auf qualvollere, langsamere Weise.
    Lange war er sicher, dass er sterben würde. Er fühlte seinen Körper nicht mehr, wähnte seine träge Seele dahinschaukeln auf jenem endlosen Meer hinter den Grenzen der Welt. Bald würden die Engel kommen, um seine guten Taten aufzulisten, und auch die Dämonen würden herbeistürzen, um seine Sünden zu benennen. Welche von beiden Eyvindrs Antlitz tragen würden, das war ihm noch ein Rätsel. Er konnte es nicht lösen, ging ganz in den Schmerzen auf. Sein Körper, gleichwohl doch keiner eigenständigen Regung fähig, musste noch genügend Kraft haben, seine Seele gefangen zu halten – ein Kerker, der bald unerträglich eng wurde.
    Mein Kopf wird vom Fieber zerplatzen, dachte er, um im nächsten Augenblick erbärmlich zu frieren. Er fühlte, wie Pfeile ihn trafen, unendlich viele, alle an der gleichen Stelle. Die Wunde in seinem Leib wurde größer, riss immer weiter auf, das Blut sickerte nicht nur, sondern stürzte daraus hervor. Er wähnte sich haltlos.
    Einzig die Stimmen hielten ihn zurück. Nicht immer verstand er sie, warum auch, auch Eyvindr hatte er so oft nicht verstanden – nur dessen Bilder, die von seiner Herkunft erzählten, seiner fernen Familie. Ob Eyvindr seinem Bruder dankbar war, dass er ihn, Balduin, getötet hatte? Er versuchte, die Augen zu öffnen und die Spuren zu erhaschen, die Eyvindr in den erdigen Boden gemalt hatte. Doch dann sah er ganz andere Gesichter, das von Johanna, das von den Burschen, die ihn begleiteten.
    »Es ist mir vorerst gelungen, den Blutfluss zu unterbinden«, sagte jemand. »Aber ich kann dich hier nicht ausreichend behandeln. Wir müssen dich nach Laon schaffen. Du musst bis dahin durchhalten.«
    Laon … Er wusste nicht, wo Laon war. Aber er fühlte, wie er hochgehoben wurde. Sein Herz verkrampfte sich, vielleicht war es auch die Wunde. Sie schien nicht mehr zu bluten, sondern versteinert zu sein, lag so schwer auf seiner Brust, dass er nicht mehr atmen konnte. Er schrie auf, und in dem schrecklichen Laut versiegten alle Stimmen.
    Erst später, viel später kamen sie zurück, kräftige und flüsternd leise, säuselnde, lachende, weinende.
    War es Judith, die weinte? Er konnte sie nicht spüren, und gewiss weinte sie nicht, sie weinte nie … bis auf jenes eine Mal, und das lag lange zurück. Zu viel war seitdem geschehen, was sie ihm nicht verzeihen konnte.
     
    »Ich habe ihm eine Salbe

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