Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Geständnis der Amme

Das Geständnis der Amme

Titel: Das Geständnis der Amme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Krohn
Vom Netzwerk:
zucken ließ, bis er erkannte, dass ihm der Kopf abgeschlagen worden war und sich der Körper, noch stehend, ein letztes Mal aufbäumte. Diesmal schrie Balduin nicht auf, sondern biss sich so fest auf die Lippen, dass es nach Blut schmeckte.
    Und Groa … jetzt sah er Groa, wie sie von einem der Reiter an den Zöpfen gepackt, mehrere Schritte lang mitgeschleift und dann zwischen den Brüsten von einem Dolch getroffen wurde. Sie stürzte zu Boden, verharrte dort einige Momente kniend, während sie vergeblich nach Luft rang, und brach dann zusammen. Auch Balduin rang nach Atem – und fand ihn nicht. Er wusste nicht, ob ihm der Todeskampf des Mädchens die Luft nahm oder das sich ausbreitende Feuer. Er wusste nur, dass er hinausmusste, um dieses Massaker irgendwie zu verhindern. Er stürzte zur Tür und prallte zurück. Sie war so heiß, dass er sich die Hände daran verbrannte. Mit einem gequälten Aufschrei trat er dagegen, doch die Tür war verschlossen, nur der untere Teil des Holzes gab knirschend nach. Verzweifelt trat er noch einmal dagegen, doch das Loch, das er schlug, war zu klein, um hindurchzukommen. Er presste seine Hand über Nase und Mund, um nicht noch mehr von dem grauen Gewaber einzuatmen, das ihn einhüllte und blind machte. Noch ehe er ein drittes Mal gegen die Tür treten konnte, fühlte er, wie seine Kräfte schwanden. Ein Schwindel erfasste seinen Kopf, ließ ihn die Beherrschung über seinen Leib verlieren. Anstatt den Fuß noch einmal zu heben, fühlte er, wieer sich im Kreis drehte, stolperte und fiel. Es gelang ihm, die Augen, die er ob des beißenden Rauchs geschlossen hatte, wieder zu öffnen. Er erblickte das lichterloh brennende Dach, das alsbald auf ihn niederstürzen würde, doch diesmal hatte er keine Angst vor den Flammen. Vielleicht hatte es ein Gutes zu sterben – nach allem, was er eben hatte mitansehen müssen.
    Dann hörte er ein Knirschen, nicht von Flammen bedingt, sondern von Fußtritten, die nun die Tür von außen trafen. Frische Luft schwappte herein, und ein Mann kam auf ihn zugelaufen.
    »Balduin!«
    Er antwortete nur mit einem Stöhnen, gewahrte, wie der andere ihn unter den Achseln packte und hinauszog. Er konnte ihm nicht dabei helfen. Balduin fühlte sich reglos wie ein Stein, und als er endlich in Sicherheit war und in unendlich erscheinender Ferne das Krachen vernahm, als die brennende Hütte zusammenstürzte, dachte er, er müsste hundert Jahre schlafen, um jemals wieder zu einer Bewegung fähig zu sein.
    Doch eine Stimme, eine störende, quälende Stimme, drang in die Dunkelheit. »Balduin! Hörst du mich? Steh auf!«
    Er sah Gerold über sich knien, und der Anblick des roten Bluts, das in das Gesicht des Gefährten gespritzt war und an seinen Händen klebte, ließ ihn hochschrecken. Hustend richtete er sich auf, ehe Gerold ihn mit diesen Händen berühren konnte. »Nicht …«, setzte er an.
    Das Schwert. Er sah Gerolds Schwert, das jener nun wieder aus der Scheide zog und das rot verkrustet war.
    »Du darfst nicht reden!«, sprach Gerold. »Ein Wunder, dass du überhaupt noch lebst. Ich hätte es ja nicht geglaubt, aber …«
    »Wie habt ihr mich gefunden?«
    Balduin war nicht sicher, ob seine Frage laut genug war, um an das Ohr des anderen zu dringen. Der Lärm der Schlacht war noch nicht erstorben. Das Kreischen der Frauen und Kinder war zwar leiser geworden, aber die verbleibenden normannischen Krieger, die anfangs vom Angriff überrumpelt worden waren, setzten zur erbitterten Gegenwehr an.
    »Wir hatten dich schon aufgegeben«, erzählte Gerold rasch. »Wir waren überzeugt, dass sie dich nicht am Leben gelassen haben, und sind nach Laon geritten, um Graf Robert davon zu berichten.«
    »Doch er hat die Hoffnung nicht begraben, dass ich doch lebe?«, fragte Balduin. Seine Stimme klang noch rau, kam aber langsam zu Kräften.
    »Du kennst doch meinen Onkel!«, entgegnete Gerold. »Er ist keiner, der sich gegen das Unvermeidliche auflehnt. Nein, er … er hat deinen Tod hingenommen und um dich getrauert, so wie es geboten ist. Ein anderer … ein anderer hingegen wollte sich nicht fügen und hat durchgesetzt, dass wir nach dir suchen.«
    Gerold blickte sich hektisch um, zum Zeichen, dass trotz aller Wiedersehensfreude keine Zeit für Plaudereien war.
    »Wer?«, fragte Balduin verwirrt.
    Gerold sprang auf, umfasste das Schwert noch fester. »Sieh selbst!«, rief er über die Schulter, um dann mit einem lauten Kriegsschrei auf den Lippen zurück ins Getümmel zu

Weitere Kostenlose Bücher