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Das Gewicht der Liebe

Das Gewicht der Liebe

Titel: Das Gewicht der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Campbell Drusilla
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nicht über Olivia reden.«
    Auf der Wiese vor ihnen versuchten Valli und Victoria, Merells perfektes Radschlagen nachzuahmen. In ihren rotblauen Shorts und den bunten T-Shirts sahen sie aus wie drei Blumen, die in einem Sturm hin und her geschleudert wurden.
    »Manchmal denke ich, es wäre schön, die ganze Zeit hier zu leben. Wir scheinen hier alle glücklicher zu sein. Aber die Straße ist im Winter gesperrt. Wir könnten nicht einmal einen Schneepflug ordern.« Lächelnd beobachtete Simone ihre Töchter. »Er glaubt, dass die Kinder im Som mer ihre Freunde mit hierherbringen werden, dass hier Partys und Segelbootrennen stattfinden. Er hat sogar Pläne für zwei Tennisplätze an der Seite des Grundstücks. Für ihn sind Tennis und Segeln Elite-Sportarten.« Sie kicherte, drück te Roxanne an sich und flüsterte: »Kennst du die Ralph-Lauren-Werbespots? Genau so möchte Johnny leben.«
    Arm in Arm schlenderten sie zu einer schulterhohen Steinmauer, hinter der die Klippe etwa zehn Meter zum See abfiel. Auf die Mauer gestützt, blickten sie über den See. Unten, am Fuß der in das Granit gehauenen Stufen, befand sich ein Schwimmdock mit einem kleinen Segelboot und einem daran befestigten Dingi.
    »Du hast ein Boot, Simone. Warum segelst du hier nicht?«
    »Es macht mir keinen Spaß.«
    »Warum nicht? Segeln ist Segeln. Wind, Wasser … Was braucht es mehr?«
    »Ich mag Süßwasser nicht«, sagte Simone. »Salzwasser trägt dich ganz anders, es legt sich auf deine Haut, fühlt sich irgendwie dicker an. Im Salzwasser fühle ich mich sicher.«
    »Warum hast du hier oben dann überhaupt ein Segelboot?«
    »Merell geht nächsten Sommer in ein Segelcamp, und was immer sie tut, werden die Zwillinge nachmachen.«
    »Das ist deine Chance, findest du nicht? Ihr beide könntet zusammen dorthin gehen.«
    »Ja, aber das Camp ist hier in der Gegend.«
    »Ihr müsst ja nicht da hin. Ihr könntet am Meer segeln, zum Beispiel von Shelter Island aus.«
    »Hör auf, mich zu gängeln, Rox.« Simone boxte ihre Schwester in die Schulter, fest genug, um ihr wehzutun. »Ich hätte dir nie etwas über das Segeln erzählt, wenn ich gewusst hätte, dass du darauf herumreiten würdest. Diese Zeit ist vorbei.«
    »Simone, du bist nicht einmal dreißig Jahre alt. Du kannst alles tun, wonach es dich verlangt.« Roxanne rieb sich ihre Schulter. »Du solltest Unterricht in Kickboxen nehmen.«
    »Es ist nicht nur das Wasser. Es ist das, was darunter ist. Unter der Oberfläche.«
    Der See war zu unruhig, um irgendetwas unter der Oberfläche zu erkennen.
    »Erinnerst du dich, was Merell dir erzählt hat? Darüber, wie der See angelegt wurde? Tja, bevor die Ingenieure kamen, war hier ein tiefes Tal mit einem Fluss in der Talsohle und einer kleinen Stadt, und als sie den Damm errichteten, wurde alles vom Wasser überflutet, aber es ist immer noch da unten.« Sie erschauerte. »Ich finde das gruslig.«
    Valli kam zu ihnen hinaufgerannt. Sie hatte ihre Schuhe ausgezogen. Simone an der Hand packend, schrie sie: »Im Kreis drehen, Mommy, im Kreis drehen.«
    Simone stieg aus ihren Sandalen. »Weißt du noch, wie wir das früher gemacht haben? Komm, Rox, das macht Spaß.«
    Wenn Roxanne Simone nach der Schule von der Kinderfrau abgeholt hatte, waren sie an heißen Tagen oft zu einem kleinen Hügel im benachbarten Park spaziert, um dort zwischen den Rasensprengern zu spielen, gekleidet in Shorts und Gummischlappen, die die Kinder in Roxannes Schule »Latschen« nannten. Und wie jetzt hatten sie sich an den Händen gehalten und sich im Kreis gedreht, weit nach hinten gelehnt und den Kopf in den Nacken gestreckt, sodass sie nichts anderes als den kreisenden Himmel sehen konnten. Jetzt wankte und schwankte der Boden unter ihnen, und droben kreisten die Wolken und die Sonne in einem schwindelerregenden Tanz. Sie wirbelten herum, bis sie stöhnend rücklings ins Gras fielen. Über ihnen jagten die Wolken über den emailleblauen Himmel, rund und drall wie vergoldete Klöße. Unter dem gelben Auge der Sonne stieg die Erde an, um sich mit dem Himmel zu vereinen, und der Himmel tauchte den See in Blau und Gold.
    Benommen, aber glücklich lag Roxanne im Gras und dachte: Genau deshalb habe ich eine Schwester, mit einer Schwester muss ich nie aufhören, Kind zu sein.
    Valli setzte sich auf. »Drehen wir uns noch mal.«
    Simone stöhnte. »Ich habe ganz vergessen, dass ich schwanger bin. Ich hätte niemals … Ich glaub, ich muss kotzen.« Lachend ließ sie sich ins Gras

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