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Das Gewicht der Liebe

Das Gewicht der Liebe

Titel: Das Gewicht der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Campbell Drusilla
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mit ihren unheimlichen Geschöpfen auf Simone ein, brachten sie dazu, Angstschreie und Ohnmachtsanfälle zu simulieren. Doch wie für kleine Kinder typisch, wussten sie nicht, wann der Spaß ausgereizt war. Sie kicherten und hüpften herum, bis Roxanne merkte, wie die Stimmung ihrer Schwester zu kippen begann, und die Zwillinge an den Tisch zurückholte. Franny brachte Zwirn für die Haare und Knöpfe für die Augen an, und eine Weile waren sie alle zufrieden, bis Olivia, die oben geschlafen hatte, plötzlich zu schreien begann.
    Ihren Monsterkopf auf den Boden werfend, verkündete Victoria: »Ich hasse dieses Baby!«
    Ein kurzes, hartes Lachen entfuhr Simone und danach ein Seufzen. Olivias Schreie stiegen eine Oktave höher zu einem Kreischen an. Johnnys Finger erstarrten auf den Tasten seines Handys, und Merell glitt von seiner Seite in eine im Schutz der Dunkelheit liegenden Nische. Die Schreie veränderten sich erneut, wurden schärfer und kürzer, als würde jemand wiederholt auf Olivia einstechen. Roxanne begegnete Frannys Blick. Victoria summte, während sie den Kopf ihres Monsters wieder an sich nahm und ihn neu zu formen begann.
    Schließlich legte Simone ihre Zeitschrift beiseite und ging aus dem Zimmer.
    Franny rief ihr nach: »Ich werde ein Fläschchen machen. Und etwas von ihrer Medizin hineingeben.«
    Simone kehrte mit Olivia zurück, die rotgesichtig und verschwitzt in ihren Armen weinte. Sie nahm von Franny ohne ein Wort des Dankes die Milch entgegen und ließ sich auf dem Sofa nieder. Einige Minuten lang war im Zimmer nichts anderes zu hören als das leise Schmatzen des Babys und der Regen, der auf das Vordach der Veranda prasselte. Valli und Victoria fertigten Lippen für ihre Monsterköpfe an, dicke Kussmäuler, die allerlei Geräuscheffekte und heftige Heiterkeitsausbrüche hervorriefen. Franny ermahnte sie freundlich zum Stillsein, und die kleinen Mädchen blickten sich zeitgleich über die Schulter nach ihrer Mutter um.
    Olivia schob ihr Fläschchen weg, worauf es auf den Teppich fiel und unter das Sofa rollte. Sie streckte sich, wölbte ihre Wirbelsäule wie ein Turner, der eine Brücke macht, und riss die Augen weit auf, während sie sich krümmte und wand und erneut zu schreien begann.
    Roxanne sagte: »Ich werde sie eine Zeit lang nehmen.«
    »Nein.«
    »Simone, ich bin schon ganz steif vom vielen Sitzen. Lass mich mit ihr ein wenig herumspazieren …«
    »Das kann ich selbst tun.«
    Franny sagte: »Simone, ich würde gern …«
    »Seid ihr beide taub? Ich sagte Nein.«
    Das Haus pulsierte vor Regen, ein tonloses Brüllen als Begleitakkord zum Schreien des Babys.
    Simone ging zu Johnny hinüber und stellte sich vor ihn hin. »Warum hört das nicht auf?«, fragte sie, die Stimme erhoben, um sich Gehör zu verschaffen.
    »Du weißt, sie kann sich nicht anders …«
    »Nicht Olivia.« Sie sprach in einem Ton, als wäre Johnny dumm, weil er sie missverstanden hatte. »Ich meine den verdammten Regen.«
    Olivia gab einen lauten Rülpser von sich. Eine Sekunde herrschte Stille, gefolgt von Gelächter. Valli und Victoria starteten einen Rülpswettbewerb.
    Simone sagte: »Du hast gesagt, hier oben würde es schön sein, Johnny. Du hast es mir versprochen.«
    Er legte sein Handy beiseite. »Was erwartest du von mir? Meinst du, ich kann Einfluss auf das Wetter nehmen?«
    »Es liegt an der globalen Erwärmung, stimmt’s?«
    Johnny sagte: »Du brauchst dir keine Gedanken um globale Erwärmung zu machen.«
    »Natürlich tue ich das. Das tun wir alle. Hältst du mich für blöd?«
    Das Zimmer schrumpfte vor Anspannung zusammen.
    »Simone …«
    »Ich weiß, dass die Welt, wenn unsere Kinder erwachsen geworden sind, nicht mehr lebenswert sein wird.« Sie sprach mit Johnny, als wäre er persönlich für die Katastrophe verantwortlich. »Warum bringen wir uns nicht einfach alle um und machen der Sache ein Ende?«
    Merell sagte: »Mommy, ich kann helfen.«
    »Herrgott, Merell, musst du ständig herumnerven? Es ist nicht deine Aufgabe …«
    »Das reicht, Simone.« Johnny legte die Hand auf den unteren Teil ihres Rückens. »Lass uns nach oben gehen. Franny kann Olivia übernehmen.« Seine Stimme hatte jene gekünstelte Ruhe, die Roxanne mit Polizeidramen asso ziierte: der Polizist auf der Straße, der auf einen Selbstmörder einredet, nicht vom Dach herunterzuspringen.
    »Ich möchte nach Hause.«
    »Wir haben kein Flugzeug hier, und selbst wenn …«
    »Wir sitzen in der Falle.«
    Franny versuchte, Simone

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