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Das Gewicht des Himmels

Das Gewicht des Himmels

Titel: Das Gewicht des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tracy Guzeman
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räkelte sich ausgiebig, wodurch die Erdnusstütchen und leeren Plastikbecher, die er auf seinem Klapptisch gehortet hatte, in den Mittelgang flatterten. Er ignorierte das Anschnallzeichen, holte seine Sachen aus den Ablagefächern und stopfte sie unter den Sitz seines Vordermannes. Die Flugbegleiterin starrte ihn böse an, und Finch war überzeugt, dass ihre schlechte Meinung ihn mit einschloss, weil er offensichtlich zu Stephen gehörte.
    »Sie sind wie ein Tornado«, sagte er.
    »Sie haben eine viel bessere Gesichtsfarbe als vorhin. Die Bänder müssen gewirkt haben.« Stephen machte ein selbstzufriedenes Gesicht. »Wissen Sie jetzt, wie es weitergeht?«
    »Ganz und gar nicht.«
    Sie landeten bei leichtem Regen, und der Flugplatz von Memphis sah genauso aus wie alle anderen Flugplätze, die Finch kannte. Er wollte so schnell wie möglich weg und eilte zum Schalter der Autovermieter, wo er sich in die Schlange stellte mit anderen reisemüden Passagieren, die Regenmäntel übergestreift hatten und ihre Computerausdrucke in der Hand hielten. Mit seinem fleckigen Regenponcho, dem Rucksack über der Schulter und dem zerschrammten Aktenkoffer war Stephen von allen der Verlottertste, und das wollte schon etwas heißen.
    Weil er Stephen noch dankbar war und außerdem wusste, dass Cranston die Rechnung zahlte, besorgte ihnen Finch ein Fahrzeug aus einer höheren Preisklasse. Im Regen warteten sie auf den Shuttle zum Parkplatz. Erst als sie eingestiegen und auf den nächsten Plastiksitz gesunken waren, überkam Finch ein Gefühl von Erleichterung – als hätte er eine große Schlacht geschlagen und sie heil und unbeschädigt überstanden.
    Auf dem Mietwagen-Areal angekommen, warf Stephen seinen Rucksack und den Aktenkoffer auf den Rücksitz ihres Wagens und setzte sich, nur leise murrend, auf den Beifahrersitz, wo er sofort Lüftungsgitter und Temperaturregler verstellte und am Radio herumfummelte.
    »Eine Menge Country-Sender.«
    »Wir befinden uns in Tennessee«, sagte Finch.
    »Das ist nicht gerade meine Lieblingsmusik.«
    »Dann sollten Sie das Radio vielleicht ausschalten.« Sie waren spät dran. Zuerst mussten sie am Motel in Dyersburg vorbeifahren, und Finch wollte Orion unbedingt noch bei Tageslicht erreichen, bevor die Kesslers zu Abend aßen und bevor das letzte Restchen Energie, das er noch hatte, völlig verpufft war.
    Statt das Radio auszuschalten, summte Stephen mit und unterbrach sein Trommelsolo auf dem Armaturenbrett nur, um sich bei Finch zu erkundigen: »Fragen Sie sich auch, wie sie jetzt aussieht?«
    Finch wusste, wen er meinte. Ihre Unterhaltungen kreisten immer nur um Natalie und nicht um Alice. Natalie war ein schönes Mädchen gewesen, aber manipulativ und berechnend. Finch hielt es für denkbar, dass sich ihre Persönlichkeit mit den Jahren in ihr Gesicht eingegraben hatte, in Form einer schmalen Furche zwischen den Augenbrauen oder als Falten der Enttäuschung um ihren Mund.
    Nach dem Fund der Fotografie hatte er Natalies wütenden Satz Ich weiß, was du getan hast zunächst als Verteidi gung der Schwester gedeutet. Aber nachdem er den Mittelteil des Triptychons und die Zeichnung bei den Edells studiert hatte, war er von dieser Meinung abgekommen. Zumindest auf der Leinwand schien es zwischen den Schwestern keine Verbindung zu geben; jede kreiste auf ihrer eigenen Umlaufbahn, entweder um die Eltern oder um Thomas.
    Alices Rolle war weniger klar. Finch gewährte ihr einen Vertrauensvorschuss, er wusste selbst nicht, warum. Vielleicht lag es an dem Foto, auf dem sie schwanger war und so glücklich aussah, dass das Papier bei der Berührung Wärme abzustrahlen schien. Oder weil sie, wenigstens als junges Mädchen, anscheinend immun gegenüber Thomas’ Zauber gewesen war. Vielleicht lag es an ihren intelligenten hellblauen Augen. Schärfe zeigte sich bei ihr vermutlich eher im Intellekt als im Charakter. Beim Gedanken an Alice hellte sich seine Stimmung auf.
    »Sie ist bestimmt eine von denen, die viel Geld ausgeben, damit sie attraktiv bleiben, meinen Sie nicht auch?«, fragte Stephen.
    »Wir sind wegen der Gemälde hier, und wenn die Göt ter uns hold sind, erfahren wir auch etwas über Thomas’ Tochter. Ihre Mrs.-Robinson-Fantasien können Sie sich sparen.«
    »Erzählen Sie mir nicht, Sie hätten nicht auch darüber nachgedacht, wie die beiden heute aussehen.« Der Fahrtwind drückte Stephens Arm gegen die Kante des offenen Fensters. »Warum sind sie überhaupt hergezogen? Hier ist so viel

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