Das Gewicht des Himmels
sobald der Patient dort angekommen ist.«
»Und wann wird das sein?«, fragte er, aber sie hatte sich schon wieder umgedreht. Finch sammelte Mrs. Blankenship ein, und gemeinsam folgten sie den Schildern zum Aufzug. Zusammen mit anderen blassen, übernächtigten Besuchern quetschten sie sich in die Kabine und betraten dann einen steril wirkenden Flur, der ganz genauso aussah wie der vorige.
Erst nach zwei Stunden konnte Finch mit einem Arzt sprechen. Es war ein schwerer Schlaganfall gewesen, und zum jetzigen Zeitpunkt konnte niemand sagen, ob Bayber jemals wieder sprechen oder gehen lernen würde. Er lag bequem gelagert im Bett, das Personal überwachte ihn ständig – viel mehr konnte man im Moment nicht für ihn tun. Finch rief Cranston an und berichtete ihm vom Stand der Dinge; dann schickte er Mrs. Blankenship nach Hause, damit sie sich erholen konnte.
»Kommen Sie ja nicht vor morgen früh wieder«, be fahl er ihr. »Wenn Sie dann zu ihm dürfen, sagen Sie ihm bitte, dass Jameson und ich erst zum Sommerhaus und danach zum Haus der Kesslers fahren. Sagen Sie ihm das auch, wenn er schlafen sollte, Mrs. Blankenship. Es ist sehr wichtig.«
Die Stoßdämpfer des Sentras, den Finch gemietet hatte, waren total kaputt. Das Auto hoppelte über die Schnellstraße, und Stephen hoppelte mit. Bei jeder Bodenwelle kam sein Kopf dem Dach gefährlich nahe. Finch fuhr viel zu schnell und gestikulierte beim Reden, sodass Stephen sich ängstlich in den Sitz drückte und demonstrativ auf den Tacho starrte. Unablässig trommelte der Regen auf das Autodach und übertönte den Radiosender mit klassischer Musik, die kam und ging, je nachdem, ob dem Empfang gerade ein Hügel im Weg war oder nicht. Feuchte Luft aus den Lüftungsschlitzen traf Stephen im Nacken. Irgendwie war das Ganze wie eine mobile Version seines Büros bei Murchison & Dunne.
Finch hob das Kinn und sog die Luft ein. »Bananen eignen sich nicht gut für eine Autoreise. Fast Food ist eine naheliegende Wahl, aber Obst – solange wir nicht von Äpfeln oder Trockenpflaumen reden – ist ungeeignet.« Insgeheim war er durchaus froh, dem Regiment seiner Tochter entkommen zu sein und einmal etwas essen zu dürfen, was jede Menge Fett und Salz und bloß ein paar Alibistückchen Gemüse enthielt, ohne sich gleich einen Vortrag über Cholesterin und hohen Blutdruck anhören zu müssen. »Ich hätte eine größere Mülltüte besorgen sollen. Wie kann jemand, der in bestimmten Dingen so pingelig erscheint wie Sie, bloß auf so eine Art verreisen?«
»Ich bin eine Anomalie.«
»Wir müssen wohl bei der nächsten Ausfahrt abfahren und etwas suchen, wo wir das Zeug wegwerfen können.« Finch deutete auf den Rücksitz, der als zeitweilige Ablage für Stephens Fast-Food-Schachteln, Bananenschalen, leere Wasserflaschen, benutzte Taschentücher und Bonbonpapiere diente.
»Meinetwegen.« Stephen schmollte. Die ganze Situation war vollkommen lächerlich. Eine sechsstündige Fahrt lang war er gezwungen, sein Leben in Finchs Hände zu legen, nur weil der eine irrationale Angst vor dem Fliegen hatte. Und jetzt musste er sich auch noch von ihm ausschimpfen lassen?
»Warum sind wir denn nicht mit Ihrem Auto gefahren?«
Finch spitzte die Lippen. »Die Verteilerkappe ist hinüber.«
»Wir könnten schon längst dort sein.«
»Das weiß ich.«
»Waren es Turbulenzen? Oder Rauch in der Kabine? Das wäre wenigstens nachvollziehbar.«
Finch funkelte ihn böse an und starrte wieder auf die Straße. »Einen Führerschein bekommt man eigentlich ganz leicht. Vielleicht würde Ihnen die Freiheit der Straße ja gefallen.«
»Und Ihnen würde die Freiheit über den Wolken vielleicht gefallen. Wie bewegen Sie sich überhaupt fort?«
»Wieso, ich bin doch gerade unterwegs.«
»Das meinte ich nicht.«
»Sie fahren nicht Auto, weil man in der Stadt keines braucht. Verstehe ich Sie da richtig?«
»Ja. Und weil mir im Auto schnell schlecht wird.«
Finch sah ihn unsicher an und lenkte die Luftdüsen in seine Richtung. »Also, ich lebe in der Stadt, und ich habe durchaus das Bedürfnis nach einem Auto. Damit komme ich raus, wenn mir die Decke auf den Kopf fällt. Je älter ich werde, desto mehr nervt es mich, andere Menschen um mich zu haben. Übrigens wird einem nicht so schnell schlecht, wenn man am Steuer sitzt.«
»Das ist keine Erklärung dafür, dass Sie nicht fliegen wollen. Ich weiß zufällig, dass Sie schon in Europa waren, und ich glaube kaum, dass Sie dahin geschwommen sind. Bayber
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