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Das Gewicht des Himmels

Das Gewicht des Himmels

Titel: Das Gewicht des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tracy Guzeman
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Anforderungen für ihren Studiengang in Ökologie und Evolutions biologie schaffen konnte. Als Miss Pym das Wort »Zustand« sagte, spitzte sie die Lippen, als hätte Alice etwas, was einen gewissen Abstand erforderte.
    »Gelenkrheumatismus ist kein Zustand, sondern eine Krankheit, Miss Pym. Ich wusste nicht, dass absolute Gesundheit die Voraussetzung für ein Studium ist. Aber solange ich die Anforderungen bewältigen kann …«
    »Genau das ist das Problem, Miss Kessler. Ich weiß nicht, ob Sie das tatsächlich können.«
    Miss Pym hatte ihr dunkles Haar zu einem straffen Dutt gedreht, der jedes Mienenspiel zu unterbinden schien, bis auf ein leichtes Stirnrunzeln, das wohl auf Kopfschmerzen hindeutete. Mit dem Fuß tippte sie unruhig gegen ihr Stuhlbein, so als wäre sie gerne weggelaufen, weit weg vom College, wo die Studenten ihre Geduld auf die Probe und ihre Kompetenz infrage stellten.
    »Ich bin in der Lage zu studieren. An der Wesleyan University …«
    Miss Pym hob die Brauen und unterbrach sie: »Miss Kessler, ich weiß, dass Sie die akademischen Voraussetzungen mitbringen. Aber ich weiß auch, dass Sie während Professor Strands Morgenvorlesung über vogelkundliche Biogeografie geschlafen haben. Es waren nur fünfzehn Studenten anwesend. Ihr Mangel an Aufmerksamkeit wurde durchaus bemerkt.«
    Daraufhin hatte Alice aus purer Sturheit die Studienberaterin hartnäckig weich geklopft. Miss Pym beendete das Gespräch schließlich mit einer ernsten Ermahnung und entließ sie mit einem Nicken. Zurück in ihrem Zimmer hatte Alice sich auf dem Bett ausgestreckt. Noch immer zitterte sie vor Wut und kämpfte gegen die Versuchung an, Natalie anzurufen. Sie wusste, dass die Unterhaltung mit ihrer Schwester nicht so laufen würde, wie sie es sich wünschte. Diese Hexe! Das kannst du ihr nicht durchgehen lassen, Alice. Sie hat keine Ahnung, was du leisten kannst. Bis heute Abend kann ich da sein. Na, was sagst du? Der würgen wir eine rein. Doch die Natalie, die so etwas gesagt hätte, war vor acht Jahren verschwunden. Jetzt war sie durch einen merkwürdigen Zwilling ersetzt worden, der noch immer so scharfzüngig war wie früher, sein Gift nun aber genauso gegen Alice einsetzte wie gegen eine herablassende Studienberaterin.
    Aus ihrem Fenster im zweiten Stock hatte Alice beobachtet, wie sich die anderen Studenten zu einem Demons trationszug sammelten, sich zusammenfanden in einer formlosen protestierenden Masse: für die Frauenrechte, gegen Rassenunterdrückung, für soziale Gerechtigkeit, gegen den Krieg. Sie hatte sie beneidet, weil sie so lässig herumschlenderten und sich in gegenseitiger Unterstützung immer wieder fest umarmten – wenn Alice dabei mitgemacht hätte, wäre eine Welle von Schmerz durch ihren Körper gefahren.
    An der Wesleyan University hatte sie mit eiserner Disziplin den College-Abschluss gemacht. Sie hatte an nichts anderes gedacht, hatte sogar die Trauer ausgeblendet. Jegliches Schuldgefühl, weil sie weiterstudierte, hatte sie beiseitegeschoben, zusammen mit den Gedanken an Natalie, die jetzt allein zu Hause saß, nur unterstützt von ihrer Haus hälterin Therese. Alice kämpfte gegen die Nebenwirkungen der Medikamente, die sie oft benebelten, und bemühte sich, nicht zu weit in die Zukunft zu denken. Ärzte können sich auch irren, bald gibt es neue Behandlungsmöglichkeiten, jeder Fall ist anders gelagert. Das sagte sie sich immer wieder.
    Diese Bewältigungsstrategie hatte sich schon vor langer Zeit in ihre DNS eingegraben. Nach dem College-Abschluss war Alice dann davon überzeugt, dass es ihr gelingen würde, mithilfe einer Kombination aus Willenskraft und ärztlichen Gefälligkeitsattesten ihre Träume zu erfüllen. Wer weiß, vielleicht würde sie ja trotz allem die Erste sein, die ein außergewöhnliches Vogelnest entdeckte, eine bislang unbekannte Eulenart oder einen noch nie gehörten Gesang? Wenn der Weg dahin auch unsicher war, das Ziel hatte sie fest im Blick. Doch jetzt war ihre Zukunft unge wiss. Feldstudien würden schwierig für sie werden; die theo retische Forschung wiederum erschien ihr klaustrophobisch und unattraktiv. Auch Laborarbeiten kamen nicht infrage, da sie kaum mehr in der Lage war, ein Skalpell zu halten. Sie wollte die Uni nicht verlassen. Wo sollte sie denn sonst bleiben? Aber sie brauchte etwas Zeit für sich allein, um ihre Gedanken zu ordnen.
    Am nächsten Morgen nach ihrer Auseinandersetzung mit Miss Pym hatte sie ein paar Kleider eingepackt und dem Jungen,

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