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Das Gewölbe des Himmels 1: Der Vergessene (German Edition)

Das Gewölbe des Himmels 1: Der Vergessene (German Edition)

Titel: Das Gewölbe des Himmels 1: Der Vergessene (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Orullian
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Spiel!«, brüllte Tahn beinahe. »Ich war auf der Jagd, ein gutes Stück die Südstraße raus und dann nach Osten. An einer Schlucht bin ich auf ein Rudel Rotwild gestoßen.« Er hielt kurz inne, noch immer fassungslos über das, was er gesehen hatte. »Und da ist eine dunkle, verhüllte Gestalt aus dem Wald getreten, hat die Hände gehoben und den Regen zu ei nem Wirbel werden lassen, der einen mächtigen Hirsch erschlagen hat.«
    »Ein Traum«, schlug Sutter vor. »Du bist eingeschlafen, während du auf dein Rotwild gewartet hast.«
    »Dann hat die Gestalt mich angesehen«, fuhr Tahn fort, ohne auf Sutters Bemerkung einzugehen. »Ich glaube … sie kannte mich. Sie hat mich durch den Wald verfolgt. Ich bin ihr entkommen, aber mehr als einmal habe ich dicht hinter mir Blitze krachen hören.« Er sah seinen Freund an, und die Angst breitete sich wieder in seinen Eingeweiden aus. »Sie wollte mich töten.«
    Tahn löste seinen Griff, richtete sich auf und ließ Sutter aufstehen. Er ging zu Jole hinein, um seinen Wasserschlauch zu holen, nahm einen Schluck und spülte sich damit den ekelhaften Geschmack aus dem Mund. Dann spritzte er sich Wasser ins Gesicht und wusch sich auch die Ohren. »Ist der Vorleser mittlerweile gekommen?«
    »Nein.« Sutter nahm den Wasserschlauch und wusch sich ebenfalls, ehe er gierig trank. Nun sah er schon eher aus wie er selbst, denn sein schulterlanges Haar hatte wieder die Farbe von Heu im Herbst, kurz bevor es eingefahren wird. Mit seinen braunen Augen und dem kantigen Gesicht wirkte er älter als Tahn, dessen blaue Augen aus einem schmalen Gesicht leuchteten, das von zu viel Zeit an der Sonne gebräunt war. Beide Jungen waren hochgewachsen, knapp über zwei Schritt, und im Laufe ihrer beinahe achtzehn Umläufe waren sie durch ihren jeweiligen Beruf »arbeitsstark« geworden, wie sie das nannten.
    »Das muss etwas mit dem Velle zu tun haben.« Tahn wandte sich seinem Freund zu. »Im Helligtal, Sutter … ein Velle im Helligtal.«
    Tahn griff nach einem der Beutel an seinem Sattel und hol te ein Blättchen Salz hervor. Er steckte es in den Mund und überlegte, was er jetzt tun sollte. Sein Herz raste noch immer, wenn er im Geiste die verhüllte Gestalt vor sich sah, die lächelnd ein hilfloses Tier mit Regen erschlagen hatte.
    Sutter blieb ungewöhnlich still.
    Sie standen zusammen in der hohen Stalltür und schauten die Straße entlang. Seit der Regen nachgelassen hatte, strömten die Leute aus ihren Häusern. Die Wolken bedeckten nach wie vor das ganze Land, nur im Osten waren über dem Jedwick-Kamm ein paar Fleckchen blauen Himmels zu erkennen.
    »Ich dachte, die Vorleser besäßen irgendeine Art besonderen Schutz …« Sutter reckte das Kinn in die Höhe und nahm mit in die Ferne gerichtetem Blick eine übertriebene Rednerpose ein – sein Humor war wieder erwacht. »Von Dorf zu Dorf reiten sie, von Stadt zu Stadt, um die alten Legenden zu erzählen, sie, denen die Geschichte aller Völker des Landes anvertraut ist, selbst der Leute im Schatten der Hand und von jenen, die … tief im Born verborgen sind.« Sutter behielt seine Pose bei und warf aus den Augenwinkeln einen Blick auf Tahn.
    Heute konnten Sutters Scherze ihn nicht aufheitern.
    »Du wirst eines Tages noch selbst ein Vorleser, Rübenbauer, so entsetzlich poetisch wie du bist.« Tahn warf Sutter ein Salzplättchen zu, das Sutter auffing und entzweibiss.
    »Warum denn nicht? In dieser Gegend gibt es heutzutage wahrlich nicht viel Interessantes zu hören. Sogar der Klatsch ist uralt.« Sutter streckte die Zunge heraus, legte die andere Hälfte des Salzsplitters darauf und rollte die Zunge dann mit theatralisch verzerrtem Gesicht wieder ein. Jeden Moment würde er erneut von seinem derzeit einzigen Thema anfangen: das Helligtal zu verlassen. Sutter wollte keine Wurzeln mehr aus der Erde graben, sondern ferne Städte sehen, fremden Völkern begegnen.
    Tahn war gerade erst einem solchen andersartigen Wesen begegnet – heute, um genau zu sein, und einem Stilletreuen obendrein. Ihm stand nicht der Sinn nach mehr. Er war schon immer mit dem gemächlichen, einfachen Leben im Helligtal zufrieden gewesen. Normalerweise erfüllte es ihn schon mit Wohlbehagen, nur die Luft des Helligtals zu atmen. Doch die Begegnung draußen in den Wäldern hatte sein Gefühl der Sicherheit und des Friedens zunichtegemacht.
    Panik schnürte ihm erneut die Brust zu. »Gehen wir hinein und setzen uns an Hambleys Feuer. Wir müssen ihm sagen, was ich

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