Das Gewölbe des Himmels 1: Der Vergessene (German Edition)
und drängten sich an ihm vorbei. »Dürfen wir hereinkommen?«
Sutter stupste im Vorbeigehen mit einem Finger die Brosche an Braethens Kragen an. In mattem Kupfer steckte dort das Emblem der Sodalität: ein liegendes Schwert, auf dessen Mitte eine Schreibfeder stand, das Ganze umringt von einem Kreis kupferner Blätter. Geddy hatte ihm das Emblem von einem Händler besorgt und dafür von Braethen ein Schild bekommen, auf dem die Preise seiner verschiedenen Schmiedearbeiten aufgelistet waren.
Braethen schloss die Tür gegen den pfeifenden Wind, wandte sich seinen Gästen zu und wartete ab. Er hatte nichts gegen die beiden Jungen, obwohl sie zu jenen gehörten, die sich über ihn lustig machten – jedoch nicht boshaft, sondern meist im Scherz. Weil er größer und breitschultriger war als Tahn und Sutter, redete er sich ein, dass er sie schon zum Schweigen bringen könnte, wenn er wirklich genug von ihrem Spott hätte.
»Wer ist da?«, rief A’Posian von seiner Stube im hinteren Teil des Hauses.
»Tahn und Sutter«, antwortete Braethen.
Der Autor kam herein und setzte die Brille ab, um den Jungen die Hand zu schütteln. »Was führt euch hierher? Ich weiß doch, dass ihr nie lest.«
Alle lachten, weil sie das nun schon zum zweiten Mal hörten, und der Autor klopfte ihnen freundlich auf die Schultern, ehe er sich wieder zu seinem Schreibtisch zurückzog. Niemand betrat je A’Posians Haus, ohne per Händedruck begrüßt und mit einem kleinen Scherz unterhalten zu werden.
Als er gegangen war, standen Sutter und Tahn stumm vor ihm, mit einem seltsamen Ausdruck in den Augen. Also tat Braethen das einzig Vernünftige – er setzte sich wieder zu seinen Büchern und schob den beiden einen Teller Käse und Beeren hin, doch sie winkten ab.
Braethen steckte Lesezeichen in die drei Bücher, die aufgeschlagen auf dem Tisch lagen. Dann blickte er zu den Jungen auf und fragte: »Also, heraus damit. Was ist los?«
Sutter neigte den Kopf zur Seite und betrachtete die Bücher, die über den Tisch verstreut lagen. »Warum bist du nicht in die Fußstapfen deines Vaters getreten und Autor geworden?«
Braethens Lächeln erlosch, und seine Miene wurde nachdenklich. »Das hatte ich eigentlich vor. Vater brauchte meine Hilfe schon, als ich noch recht jung war, also habe ich die ersten Bücher für ihn kopiert, eher ihr beiden laufen konntet.« Er war acht Nordsonn älter als Tahn und Sutter. »Aber mir fehlt Vaters Begabung für Wörter. Das habe ich schon vor langer Zeit festgestellt. Und irgendwo in diesen Büchern bin ich auf andere Dinge gestoßen, die mich interessieren.«
»Die Sodalität«, sagte Tahn.
»Die Aufgabe fasziniert mich«, bestätigte Braethen und befühlte die Brosche an seiner Kehle.
»Kein großer Bedarf daran im Helligtal«, bemerkte Sutter und verdrehte die Augen.
»Das stimmt«, entgegnete Braethen ungerührt. »Ich bin nicht persönlich mit der Bruderschaft vertraut, aber ich lerne ja noch, nicht wahr?« Er lächelte breit.
»Was liest du gerade?«, fragte Tahn.
Braethens Augen leuchteten auf. »Hauptsächlich Historien und dazwischen ein paar Tagebücher und Landkarten.« Er rutschte auf seinem Stuhl nach vorn. »Einige davon habe ich bei einem Händler gekauft, der aus Myrr kam.« Er begann, lebhaft zu gestikulieren, und seine Aufregung steigerte sich mit jedem Satz. »Ich vermute, dass er sie nicht legal erworben hat. Ich habe alle mehrmals gelesen, aber es gibt da viele Widersprüche und große Lücken. Ganze Zeitalter auf wenigen Seiten zusammengefasst.« Er fuhr sich mit der Hand durch das kurze, hellbraune Haar. »Jedes Mal, wenn der Vorleser kommt, sind meine Fragen gut vorbereitet.« Er hielt inne. »Dieses Jahr studiere ich sogar noch mehr, weil er nicht gekommen ist.« Braethen blickte zum Fenster, hinter dem Kiefernzweige sacht im Wind schwankten.
Sutter griff nach einem der Bücher und klappte es zu. »Nimm es mir nicht übel, Braethen, aber … warum? Den Vorleser zu hören genügt völlig, finde ich. Wozu soll es gut sein, alle Einzelheiten über Totes und Vergangenes zu wissen? Und ist es nicht eigentlich die Aufgabe eines Sodalen, einen Sheson zu beschützen?«
Braethen antwortete unverzagt: »Die Sodalität verteidigt den Orden auf zweierlei Weise: mit dem Schwert und der Feder. Ich konzentriere mich im Augenblick auf die Feder.« Wieder berührte er das Emblem an seinem Kragen.
Die Behauptung, er wolle sich »auf die Feder konzentrieren«, war ein kleines Ausweichmanöver,
Weitere Kostenlose Bücher