Das Gewölbe des Himmels 1: Der Vergessene (German Edition)
dem Helligtal, könnte man wohl sagen.«
Tahn und Sutter wechselten einen wissenden Blick. »Hast du schon mal ein Schwert geschmiedet, Geddy?«
»Erst ein Mal«, antwortete er. »Das habe ich dem Herrn auch gesagt. Es war ihm egal. Er hat mir einfach einen Beutel mit dem Barren und einer fürstlichen Summe darin gegeben – in Silber .«
»Also, ich finde, es sieht prächtig aus«, sagte Sutter.
»Danke, mein Junge.«
Sutter streckte die Hand nach dem Schwert aus.
Geddy riss es hastig zurück. »Deine Finger haben daran nichts verloren. Ich dachte nur, ihr würdet es vielleicht gern anschauen .«
»Nun, der Mann, dem es gehört, heißt Vendanji«, sagte Tahn. »Er hat uns gebeten, es für ihn abzuholen.«
Geddy musterte ihn argwöhnisch.
Sutter seufzte gereizt. »Großer Mann, sehr humorvoll. Genau die Sorte, die man gern verärgert, damit er herkommt und sich sein Schwert selbst holt.«
Geddy wirkte noch immer nicht überzeugt.
»Eine Frau begleitet ihn. Grauer Umhang«, fügte Tahn hinzu. »Sie ist sehr schnell.«
Der Schmied nickte. »Also schön. Dass ich dir vertrauen kann, weiß ich.« Sutter setzte eine verletzte Miene auf. Geddy tauchte die Spitze der Klinge in seinen Wassereimer, und es zischte und dampfte. Dann zog er die Waffe wieder heraus, prüfte die Temperatur mit dem Daumen, griff nach einer ganz gewöhnlich aussehenden Schwertscheide und ließ die Klinge hineingleiten. »Richte ihm aus, dass ich nicht genug Zeit hatte, um es zu polieren oder zu schleifen.«
Sichtlich widerstrebend überreichte Geddy das Schwert an Tahn, der ein wenig ziehen musste, um es aus den Fingern des Schmieds zu lösen. »Danke.« Als er und Sutter sich abwandten, glaubte Tahn zu hören, wie der alte Geddy etwas über das Schwert und ein seltsames Licht in einem Winkel seiner Werkstatt brummte.
3
SPÄTE LESUNG
B raethen Posian saß im warmen Schein seiner Lampen und las. Sein Vater war Autor Posian – A’Posian, wie es nach alter Tradition hieß –, und das Problem daran war, dass Braethen schon immer Zugang zu Büchern gehabt hatte. Er konnte sich kaum zurückhalten, wenn es um Bücher ging, ob nun Geschichten, Chroniken, Landkarten – ganz gleich, was. Und das hatte zur zweiten abenteuerlichen Besonderheit in seinem sechsundzwanzigjährigen Leben geführt: Er war auf die Sodalität gestoßen.
Im zarten Alter von acht Jahren hatte er diese Bruderschaft entdeckt, und er liebte einfach alles daran: das Ziel, den Glauben, die Geschichten darüber, was Sodalen zu opfern bereit waren, um höheren Prinzipien gerecht zu werden und sie hochzuhalten. Die Sodalität war ganz dem Orden der Sheson verpflichtet. Braethen war noch nie einem leibhaftigen Lenker begegnet, doch die absolute Hingabe eines Sheson zum Dienst an den Menschen – und koste es ihn die eigene Seele – flößte ihm höchste Achtung vor diesem Orden ein. Da half auch die Warnung seines Vaters nicht, der mit großer Vorsicht von dem Orden sprach, weil Sheson zwischen den Welten wandelten – auf dem schmalen Grat zwischen dem, was ist, und dem, was sein könnte, zwischen Berühren und Verändern.
Also hatte Braethen einen Großteil seiner sechsundzwanzig Jahre damit zugebracht, alles über die Sodalität zu lesen, und er wünschte sich nichts sehnlicher, als ihr anzugehören. Das ging so weit, dass er inzwischen von jedermann dafür verspottet wurde – meist recht gutmütig, aber Spott war es trotzdem.
Das wirkliche Problem war jedoch, dass es im Helligtal keinen Sheson gab und folglich keinen Bedarf an Sodalen.
Noch nicht , dachte er. Aber das könnte sich ändern.
Es klopfte an der Tür. Er sprang auf, denn er hoffte zu erfahren, dass der Vorleser endlich gekommen war. Ogea und er waren Freunde geworden. Wann immer der alte Mann nach Helligtal kam, unterhielt er sich einen Abend lang mit ihm. Das lag wohl auch daran, dass Ogea und Braethens Vater gute Freunde waren, doch der alte Mann nahm sich Zeit für Braethen allein. Er erzählte ihm Dinge, die er nicht von den Dächern rief. Und Ogea war der einzige Mensch, der sich nicht über Braethens Besessenheit lustig machte. Nein, der alte Mann lehrte ihn mehr über die Sodalität, als Braethen allein je hätte herausfinden können. Und dafür liebte Braethen ihn.
Das Buch noch in der einen Hand, die Schreibfeder zwischen die Zähne geklemmt, öffnete er die Tür und sah Tahn und Sutter vor sich. »Wie komme ich denn zu dieser Ehre? Ich weiß doch, dass ihr beide nie etwas lest.«
Sie lachten
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