Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Gewölbe des Himmels 1: Der Vergessene (German Edition)

Das Gewölbe des Himmels 1: Der Vergessene (German Edition)

Titel: Das Gewölbe des Himmels 1: Der Vergessene (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Orullian
Vom Netzwerk:
übergebt sie nicht irgendeinem kleinen Offizier oder Beamten. Bringt die Stäbe zu Dolun’pel, dem Oberhaupt meiner Bruderschaft, und bleibt bei ihm, während er die Siegel öffnet. Bestätigt ihm die Echtheit des Inhalts. Wenn ihr ihn nicht finden könnt, übergebt sie jemandem, dem ihr vertraut und der die Autorität besitzt, entsprechende Schritte einzuleiten. Habt ihr verstanden?«
    »Weshalb nehmt Ihr sie nicht mit?«, fragte Sutter.
    »Ich werde sie nicht brauchen«, entgegnete der Schreiber. »Falls es mir gelingt, Decalam zu erreichen, werden allein meine Anwesenheit und mein mündliches Zeugnis Beweis genug dafür sein, dass Kumram gefallen ist.« Er stupste Tahn in die Brust. » Ihr hingegen seid zwei junge Burschen, die man in Decalam nicht kennt, wie ich anhand eurer Kleidung vermute. Die Berichte werden dort dringend gebraucht, und unsere Chancen stehen doppelt so gut, wenn wir getrennt dorthin reisen. Die Herrschenden müssen wissen, was mit unserer Arbeit hier geschehen ist. Das ist unerhört wichtig.« Edholms Blick wirkte wie in Erinnerungen verloren. »Sie müssen von dem Verlust erfahren und entscheiden, was nun zu tun ist.« Sein Blick kehrte zu ihnen zurück, und er sagte: »Beeilt euch, ihr beiden. Trödelt nicht. Dieses Zeitalter könnte schneller zu Ende sein, als ihr ahnt, und wenn das Ende kommt, dann mit so schändlichen Gräueltaten, dass wir sie uns kaum vorstellen können. Macht euch nicht mitschuldig daran, indem ihr bei diesem einfachen Auftrag versagt. Die Stilletreuen sind noch in der Nähe, also werde ich mich eine Weile gen Westen halten, jeden Abend ein helles Feuer machen, auf offener Straße reisen und dabei aus voller Kehle singen, um ihre Aufmerksamkeit auf mich zu lenken, ehe ich mich nach Decalam durchschlage. Ihr folgt dem Fluss nach Norden. Kein Feuer, und haltet euch stets im Schatten der Wälder. Wenn ihr das Blau des Flusses sehen könnt, seid ihr ihm zu nahe. Nach einigen Tagen stoßt ihr auf eine halb überwucherte alte Straße. Zu jeder anderen Zeit würde ich euch raten, ihr westlich zur Hauptstraße in den Norden zu folgen.« Der Schreiber schüttelte den Kopf. »Doch nicht jetzt. Haltet euch östlich, dann stoßt ihr wieder auf den Fluss. Die Straße führt zu einer prächtigen alten Brücke, die sich zu hohen Klippen hinüberschwingt. Das ist der richtige Weg für euch. Ein alter Weg, eine vergessene Route. In dieser Richtung werden die Stilletreuen auch nicht nach euch suchen. Gebt nur gut acht, dann geschieht euch nichts.«
    Tahn spürte, dass der Schreiber ihnen etwas verschwieg. »Wohin schickt Ihr uns da?«
    Edholm winkte sie nah zu sich heran und flüsterte so leise, dass sie ihn kaum verstanden: »Dort ist eine alte Stadt, sehr alt.« Er sah beiden tief in die Augen. »Gebt gut acht, dann geschieht euch nichts.«
    Als folgte er einem plötzlichen Einfall, griff der Schreiber erneut nach einem der Bücher an seinem Gürtel. Er riss mehrere beschriebene Seiten heraus, rollte sie zusammen und stopfte sie in einen weiteren Stab, größer als die ersten. »Nehmt den auch mit. Diejenigen, denen ihr die Stäbe bringt, werden sich darüber freuen.«
    Edholm schwieg eine Weile. Er sah müde aus. »Ich bin nur ein alter Schreiber, ihr Jungen. Ich habe es genossen, Tag für Tag Vorhandenes nachzuschöpfen, habe mich mit Leib und Seele der Arbeit gewidmet, die einfachen und kostbaren Worte durch die Zeit weitergetragen, die Autoren der alten Tradition uns geschenkt haben …« Der Schreiber riss sich aus seinen Gedanken und sah Tahn und Sutter ein letztes Mal an. »Unser Plan ist alles andere als vollkommen. Aber so stehen die Aussichten besser, als wenn drei unerfahrene Männer gemeinsam aufbrächen in der Hoffnung, die Stilletreuen abzuschütteln.«
    Edholm hatte recht, und selbst wenn Tahn anderer Ansicht gewesen wäre, hätte es wohl keinen Zweck gehabt, ihn vom Gegenteil überzeugen zu wollen. Tahn spürte, dass der Schreiber auf seinen Blättern mehr festgehalten hatte als Tahn und Sutter: Sie enthielten eine Art Testament seines Lebens, denn der Mann glaubte nicht, dass er Decalam je erreichen würde.
    »Falls Himmel und Allwille uns gewogen sind, treffen wir uns vielleicht in reinerer Luft wieder, und ich kann euch die Hand reichen und euch meinen Dank aussprechen.«
    Der Schreiber streckte eine Hand aus, die Tahn bereitwillig ergriff. Mit dem Zeigefinger der anderen Hand zeichnete Edholm einen Kreis um seinen und Tahns Daumen. Dann ging der Schreiber ohne

Weitere Kostenlose Bücher