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Das Gewölbe des Himmels 1: Der Vergessene (German Edition)

Das Gewölbe des Himmels 1: Der Vergessene (German Edition)

Titel: Das Gewölbe des Himmels 1: Der Vergessene (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Orullian
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ein weiteres Wort durch die rauchenden Baumstämme davon und blickte sich nicht noch einmal nach ihnen um.
    »Puh«, stieß Sutter hervor. »Ich weiß wirklich nicht, was ich von diesem Kerl halten soll.«
    Tahn stopfte die Stäbe in eine Innentasche seines Umhangs. »Tatsächlich … und ich dachte, ihr wärt Brüder.«
    Während sie die Pferde holten, flogen Scherze hin und her. Sie schlugen den Weg nach Norden ein, erreichten bald den Fluss und setzten ihre Reise im Schutz der Bäume mit etwas Abstand zum Ufer fort. Bis in den Abend ritten sie und unterhielten sich leise. Hin und wieder tastete Tahn nach den Stäben in seinem Umhang, um sich zu vergewissern, dass sie nicht herauszufallen drohten.
    Im Zwielicht des Abends beschlossen sie, der Mahnung des Schreibers zum Trotz ein Feuer zu entzünden. Gemeinsam erwärmten sie etwas Fleisch und Käse und aßen dazu altbackenes Brot.
    Sutter schmatzte dennoch gierig und fragte: »Wenn der Umlauf vorüber ist und sich immer noch niemand gefunden hat, der sich bei unserem Einstand für uns verbürgt, werden wir dann trotzdem zu Männern, vollwertigen Alchera?«
    »Du nicht«, witzelte Tahn. »Ich glaube, das Mannesalter ist recht wählerisch darin, wen es aufnimmt.«
    »Verstehe. Und du bist sicher, dass das Mannesalter einen Platz für einen Strohkopf freihält, dessen einzige mannhafte Betätigung darin besteht, hilflose Tiere zu erlegen.« Sutter kicherte mit vollem Mund.
    »Ich denke doch, dass ich in dieser Schlange ein ganzes Stück vor dem Bauernburschen stehe, dessen engste Freunde die Würmer sind.« Tahn warf den letzten Bissen seines muffigen Brots nach dem Rübenbauern. Dann wurde er ernst. »Ich weiß es nicht. Ich bin immer davon ausgegangen, dass Balatin mir beistehen würde. Und als er in sein Grab ging, habe ich Hambley als Beistand gewählt.« Er rückte einen Ast im Feuer zurecht. »Ich glaube nicht, dass wir rechtzeitig wieder zu Hause sein werden. So oder so, älter werden wir schon …«
    Sutter klopfte sich Krümel von den Händen und zog die Decke über sich. »Ich nicht, Eichhörnchen. Mir gefällt die Vorstellung, dass wir nie alt werden, wenn wir unseren Einstand nie begehen. Stell dir nur vor, ein unsterbliches Dasein voller Fährtenleser, Schreiber … und Frauen.« Er zwinkerte Tahn zu und drehte sich dann auf die Seite, um zu schlafen. Die erste Wache überließ er Tahn.
    Wenige Augenblicke später sah Tahn seinen Freund langsam und tief atmen, während er in Träumen versank. Tahn lehnte sich an einen umgestürzten Baumstumpf und blickte durch die Nacht empor zum Mond. Seine Gedanken wanderten zu Mira: eine Frau, die so alt aussah wie er selbst, doch die Erfahrung einer ganzen Lebensspanne zu besitzen schien – ihre Unnahbarkeit, die ruhende Kraft und Schnelligkeit in ihren Armen, die nie weit von ihrem Schwert entfernt waren. Irgendetwas an ihr wirkte alterslos, zeitlos.
    Er wickelte den Verband von seinem Hals und befühlte seine Wunden. Trotz der Abscheulichkeiten, die ihn in jüngster Zeit verfolgten, verlor er sich in träumerischen Vorstellungen von einem Leben mit der Fern. Die Verantwortung für die Stäbe, der Schmerz in seinem Fuß, die Schuldgefühle wegen seiner Tatenlosigkeit an Wendras Kindbett, alles wich für ein paar Augenblicke zurück, während er sich eine mögliche Zukunft ausmalte.
    Am nächsten Tag sprachen sie nur wenig, beide hingen ihren Gedanken nach. Zum Abendbrot gab es das Gleiche wie stets, und dann folgten die Nachtwachen. Am Morgen des zweiten Tages, nachdem sie Kumram verlassen hatten, stießen sie auf eine Straße, die mit Gestrüpp und tief hängenden Zweigen fast zugewuchert war. Hohes Gras wuchs in der Mitte und verbarg beinahe die alten Karrenspuren. Tahn wandte sein Pferd nach Osten in Richtung des Flusses. Hohe Halme streiften seine Beine und die Bäuche der Pferde. Die leicht bewegte Luft füllte sich mit dem Flaum der Pappeln am Fluss, die ihre Samen abwarfen. Das sachte Rieseln der leichten, fedrigen Samen besänftigte das Gefühl drängender Eile, das sich stetig in ihm ausbreitete, seit der Schreiber ihm die Botschaften anvertraut hatte.
    Das leise Rascheln der Blätter in der Brise klang wie vielfaches Flüstern und erinnerte Tahn ans Helligtal. Er entspannte sich im Sattel. Allmählich wurde das Rauschen des Flusses lauter. Dann wich das Blätterdach, das fleckiges Sonnenlicht durchscheinen ließ, plötzlich dem offenen Himmel, und Tahn und Sutter standen vor einer Brücke, die sich über

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