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Das Gewölbe des Himmels 2: Der Unrechte

Das Gewölbe des Himmels 2: Der Unrechte

Titel: Das Gewölbe des Himmels 2: Der Unrechte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Orullian
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können. »Es ist, wie ich annehme, Euer Glück, dass Euer Schicksal nicht der Willkür des Volkes anheimgestellt wird.« Penit verschränkte die Arme und beendete so seine Rede in der Rolle des Verhörenden.
    Dann nahm der Junge anmutig wieder den Platz ein, von dem aus er mit der Stimme der Regentin sprach. »Ihr dürft eine Widerlegung vortragen, wenn Ihr möchtet. Aber seid gewarnt, dass Lügen Euch hier höchstwahrscheinlich eine härtere Strafe einbringen.« Penit atmete langsam durch die Nase aus, bevor er fortfuhr: »Noch eines. Ich fordere Euch auf, bei der Verteidigung, die Ihr vortragt, Besonnenheit an den Tag zu legen. Aber Ihr dürft Euch nicht davon abgehalten fühlen, jegliche Einzelheit zu erwähnen, von der Ihr glaubt, dass sie in diesem Prozess von Wert oder von Bedeutung ist. Ganz gleich, was es andere kostet.« Penit zog die Augenbrauen hoch, legte die Stirn in tief e Falten und schloss: »Es steht Euch frei, von allem und jedem zu sprechen, um Euch von diesen Anschuldigungen reinzuwaschen. Versteht Ihr?« Penit blickte erwartungsvoll ins Feuer.
    Noch eine stolze Umdrehung, und sein Kopf hob sich den Sternen entgegen, die tief am südlichen Horizont standen. Er nickte, und in diesem Moment beobachtete Tahn, wie der Junge die standhafteste, ehrenhafteste Haltung einnahm, die er sich nur vorstellen konnte. »Ich erschauere über das, was hier geschehen wird«, sagte Penit leise in resigniertem Ton. »Ich saß zu Füßen von Julian A’sa, wenn alle Böden gefegt und alle Tiere versorgt waren, und hörte zu. Ich kenne die Geschichten hundert anderer Autoren bis in alle Einzelheiten und auch die Bedeutung hinter ihren Worten. Stunde um Stunde habe ich jahrelang die Kriegskunst und Kampftaktiken studiert, den Körper, seine Bewegungen, seine Fähigkeiten, seinen Zweck. Aufgrund meiner Ausbildung war ich für die Männer und Frauen wertvoll, die einen Sitz in den Räten innehaben. Bald stand ich diesen Leuten zur Seite, wenn sie zu ihren Ratssitzungen zusammenkamen. Ich sah und hörte, wie das Leben eines einzelnen Menschen unbekümmert in den Wind geschlagen werden konnte. Später, in höheren, prächtigeren Sälen, war es das Leben Dutzender von Menschen, und nicht allein von Soldaten, sondern von unschuldigen Stadtbewohnern und großen Teilen dieses Volkes, deren Lebensunterhalt stets gefährdet ist und nur von den Entscheidungen abhängt, die einige wenige am Banketttisch treffen.« Penit schluckte, als würde ihm die Gefühlsaufwallung die Kehle zuschnüren. »Ich wurde Zeuge all dessen, aber ich bewahrte mir die Hoffnung auf das schlichte, elegante Gleichgewicht des Lebens, da ich überzeugt war, dass wir unseren Weg selbst wählen und dass sich unser Leben eigentlich nur daran messen lässt, wie wir damit umgehen.«
    Sutter nickte. Tahn sah, dass auch Wendra und Braethen zustimmend zu Penits Worten nickten. Mehrere Schritte entfernt saß Grant immer noch im Profil zum Feuer, dessen Licht seine ledrige, wettergegerbte Haut beschien. Er hatte Penits Geschichte noch nicht in irgendeiner Form gewürdigt, aber seine Augen zeigten deutlich, dass er aufmerksam lauschte.
    Vendanji lauerte etwas weiter entfernt hinter Penit. Der Sheson musterte den Jungen, als käme es ihm darauf an, dass Penit genau die richtigen Worte finden würde.
    Dann regte sich etwas in Tahn. Er hatte den Eindruck, dass alles, was er gerade hörte, tatsächlich der Wahrheit entsprach. Aber das stimmte nicht ganz. Nicht die Geschichte an sich, obwohl sie in allen Einzelheiten zutreffend sein mochte – das konnte Tahn nicht einschätzen. Doch er wurde von einem überwältigenden Gefühl der Gewissheit durchströmt, dass der Kern dessen, was Penits Gestalten sagten, nicht erfunden war. Eine vertraute Tröstlichkeit und Bestärkung umfing ihn und löschte seine kurzzeitigen Befürchtungen und alles, was seit Helligtal geschehen war, aus. Binnen eines Augenblicks erkannte er das Gefühl als dasselbe, das er verspürt hatte, als Rolen ihm in der Gefängniszelle als Beisteher gedient hatte.
    »Was ich getan habe, streite ich nicht ab«, fuhr Penit mit fester Entschlossenheit fort. »Es war meine Entscheidung, und ich würde sie wieder so treffen. Ich fühle mich nicht schuldig und schäme mich auch nicht dafür.« Penit hob die Arme leicht mit nach oben gewandten Handflächen. »Wir versammeln uns, errichten Städte und Siedlungen und ziehen Grenzen durchs Land, um Wohlstand zu schaffen oder ein Gefühl der Sicherheit zu erzeugen. Aber

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