Das Gewölbe des Himmels 2: Der Unrechte
angemessen erscheint. Ich darf sie um etwas bitten, darf aber keinen von ihnen zwingen, seine Forsa um meinetwillen hinzugeben. Das wäre sowohl unmoralisch als auch rechtswidrig. Habt Ihr also bei Eurer Argumentation bedacht, dass der Versuch, die Erneuerung eines Lebens zu unterbinden, genau die Selbstüberhebung der Macht über Leben und Tod darstellt, die Ihr uns zum Vorwurf macht? Ihr«, klagte Penit heftig an und ließ die Regentin mit dem Finger aufs Feuer zeigen, »seid derjenige, der sich schuldig gemacht hat, Anspruch auf Göttlichkeit zu erheben. Ihr seid ein Verräter. Mehr noch, Ihr seid ein Heuchler.«
Eine kurze Drehung, und Penit hob den Kopf. »Ich glaube nicht, dass die Sheson von sich aus zugestimmt haben. Welches Druckmittel hat ihre Mithilfe erkauft? Welche Versprechungen wurden ihnen gemacht? Ihre Berufung ist geheiligt; sie hätten sich nicht freiwillig an der Sache beteiligt, da eine Wiederbelebung bekanntermaßen Häresie ist. Nur Velle schöpfen aus dem Willen, um etwas damit zu gewinnen. Ein wahrer Inhaber des Willens würde eher jegliche Demütigung erdulden, als sich dazu zwingen zu lassen.« Penit ballte die Faust und hob sie an den Mund, um mit zitternder Stimme fortzufahren: »Oder Euch zumindest mit aller Kraft Widerstand leisten.«
Erneut hielt Penit inne. Das Holz knisterte und prasselte in den Flammen, Funken stoben orangefarben aufblitzend in die Nacht und verglommen. Die Worte des Jungen ließen sie alle erstarren, und die Schwere der Anschuldigungen warf einen Schatten auf das ganze Lager, obwohl doch alles nur ein Rhei-Fol war.
Penit drehte sich diesmal nicht um, sondern schritt einen weiten Kreis, um wieder die Rolle des Anklägers einzunehmen. »Lasst uns dem hier ein Ende setzen«, sagte er im Ton der Endgültigkeit und winkte mit der rechten Hand jemanden heran. Dann trat er auf die andere Seite des Feuers und blickte ruhig über die Flammen. »Wir werden Artixan anhören, den Sheson, der im Rat der Regentin sitzt und zugleich der Willenslenker war, der begann, ihr Kind wiederzubeleben, bevor SeFeery erschien, um ihn daran zu hindern.«
Penit schritt feierlich zur gegenüberliegenden Seite des Feuers, wo er seinen Platz einnahm und einen Blick zurück über die Flammen warf. Er flüsterte gequält: »Nein, Artixan! Tut das bitte nicht!«
Wieder ging der Junge langsamen Schrittes ums Feuer. Penits Augen wurden glasig vor Tränen, als er eine verzweifelte Miene aufsetzte und für Artixan sprach: »Ein vollkommenes Kind, ein schönes Kind, kam aus ihrem Leib hervor. Doch der Säugling erwachte nicht auf dieser Welt. Ihre Gnaden trauerte und machte Anstalten, die Beerdigung eines totgeborenen Kindes vorzubereiten. Solchen Mut habe ich nur selten erlebt. Es ist seit langem bekannt, dass Helainas Schoß unfruchtbar ist, und doch kam es zu diesem Wunder, das ihr zu ihrem Entzücken den Bauch rundete.« Eine Träne rann über Penits Wange. »Wie schmerzlich, dann das Wunder zu erwarten und im Augenblick seiner Erfüllung solch eine Tragödie zu erleben. Es entspricht nicht unserem Brauch, aus dem Willen zu schöpfen, um alle Himmel eines Kindes zu retten, aber hier heiligte der Zweck das Mittel, die Tradition außer Acht zu lassen, und ich erklärte mich freiwillig dazu bereit.« Penit sah flehend über das Feuer hinweg. »Es war notwendig, Denolan. Könnt Ihr das nicht einsehen? Ausgerechnet Ihr? Muss ich es in diesem Gerichtssaal laut aussprechen? Überdenkt Eure Haltung bitte noch einmal, bevor es zu spät ist …«
Penit machte schnell einen Schritt nach links. Seine Züge nahmen einen vorwurfsvollen Ausdruck an. »Das ist alles, Sheson, danke.«
»Zu spät« wofür?, fragte sich Tahn. Irgendetwas war unausgesprochen geblieben, da der schlaue Inquisitor dem Sheson das Wort abgeschnitten hatte.
Mit der Stimme des Anklägers wandte sich Penit an den Angeklagten, den Tahn beinahe vor sich zu sehen meinte. »Ihr habt jetzt das Zeugnis des Mannes gehört, den Ihr aufzuhalten versucht habt. Er hat vor diesem Gericht beschworen, dass er freiwillig und aus eigenem Antrieb bestrebt war, dem Kind zu helfen. Und« – Penit hob einen Finger, um die einzelnen Punkte aufzuzählen – »er ist ein geehrtes Mitglied des Ordens, das großes Ansehen genießt – das nur, falls Ihr vorhaben solltet, seinen Ruf hier zu besudeln, indem Ihr ihn bezichtigt, stilletreu zu sein.« Penit senkte die Hand, schaute auf und sah sich dort um, wo das Publikum in dem großen, runden Saal hätte sitzen
Weitere Kostenlose Bücher