Das Gewölbe des Himmels 2: Der Unrechte
wären. Ich bin Meritus.«
Penit drehte sich um. »Ich verstehe.« Seine Augen leuchteten wie die eines Kindes, das etwas in die Finger bekommen hat, womit es spielen kann. »Dann hatte sie Euch anvertraut, wann und wo die Sachwalter des Willens sich des Kindes annehmen würden, um ihm die Möglichkeit zu verschaffen zu leben. Ihr habt Euer Wissen nicht nur genutzt, um diese Möglichkeit zu vereiteln, sondern zugleich den Wünschen der Regentin zuwidergehandelt. Ist das«, fuhr Penit mit zweifelnd hochgezogenen Augenbrauen fort, »auch ein Netz der Täuschung? Oder habe ich zutreffend die Umstände und Eure diesbezüglichen Absichten geschildert?«
Penit trat zielstrebiger als sonst in seinen langsamen Kreisbogen, und Tahn sah, wie sein Gesichtsausdruck sich veränderte, als der Junge den Standort des Angeklagten erreichte. Sein Mund drückte Ruhe aus, als er wieder zum sternenübersäten Himmel zu sprechen schien. »Eure Schilderung ist … unvollständig. Es ist wahr, dass es wenig gab, was ich über die Angelegenheiten der Regentin nicht wusste. Und mit der Zeit begann sie, sich auf mein Urteil zu verlassen.« Penit verlagerte seinen Blick, als ob er ihn von dem Fragesteller zu der unsichtbaren Richterin hinüberwandern ließ, die den Vorsitz bei der Verhandlung führte. »Ich war vielleicht mittlerweile der Einzige, der in der Lage … oder willens war«, stieß Penit in einem plötzlichen Zornesausbruch hervor, als er wieder dorthin sah, wo der Verhörende hätte stehen können, »ihr zu sagen, dass sie unrecht hatte.«
Wendra und Sutter keuchten auf, da sie so gebannt von der Geschichte waren, dass sie das Entsetzen über diese aufrührerischen Worte vor dem Höchsten Gericht mitempfanden. Tahn ertappte sich dabei, unwillkürlich in die Richtung zu sehen, in die Penit schaute, wenn er zu der Richterin sprach, als könnte er die Phantasiegestalt erblicken. Braethen nickte verständnisinnig.
Eine ganze Weile ließ Penit die Worte über dem Feuer und seinem betörten Publikum in der Luft hängen. Als Tahn wieder einen Blick auf Vendanji warf, hatte der Sheson sich nicht gerührt. Schatten umspielten seine verfinsterten Züge, während das Feuer Funken spie, aufloderte und seinen Dreiringanhänger matt glänzen ließ. Zweifellos war ihm die Geschichte vertraut; das Wiedererkennen war ihm deutlich an den Augen abzulesen. Aber dort verbarg sich noch etwas, das so unerbittlich wie eine Wasserflut bei heftigem Frühlingsregen war.
Dann machte der Junge zwei Schritte und vollendete anmutig seine Wendung, um wieder die Rolle des Gerichtsrats zu spielen. Ein dünnes Lächeln breitete sich über seine Lippen aus. »›Ihr zu sagen, dass sie unrecht hatte‹, sagt Ihr. Bei einer Gegenpartei wie Euch, SeFeery, muss ich hier wohl kaum Beweise vorlegen. Eure arrogante Berufung auf das Vertrauen meiner Herrin ist keineswegs der Freibrief, für den Ihr sie vielleicht haltet.« Penit ließ sein Grinsen verschwinden. »Und auf alle Fälle klafft ein weiter Abstand zwischen der Freiheit, offene Ratschläge zu erteilen, und dem Ergreifen von Maßnahmen, die Taten oder Entscheidungen der Regentin hintertreiben. Was Letzteres betrifft, haben wir Zeugen, die Euren Verrat belegen. Wünscht Ihr ihre Aussagen zu hören, oder räumt Ihr auch so ein, dass ihre Worte der Wahrheit entsprechen?«
Penit drehte sich zurück und hob in stummer Ergebenheit den Blick. »Ich habe ihre schriftlichen Aussagen gelesen. Sie sind wahrheitsgemäße Berichte über das, was sie gesehen haben.« Penit hob eine Augenbraue, während er fortfuhr: »Aber ich muss das Höchste Gericht in dieser Hinsicht tadeln. Jedes dieser Dokumente unterscheidet sich bezüglich der Einzelheiten, und aus jedem spricht ein gewisses Maß an Abneigung oder Wohlwollen mir gegenüber. Sie sind nichts wert, wenn man feststellen will, ob meine Handlungsweise richtig war.«
Mit einem knappen Schritt und einer raschen Wendung kehrte Penit in seine erste Position zurück und setzte einen unversöhnlichen, finsteren Blick auf. »Ruhe!« Der schrille Aufschrei brachte Grant dazu, sein Profil dem Feuer zuzuwenden. In den tiefen Falten seiner gebräunten Haut hielten sich die Schatten der Nacht. »Wir sind hier nicht zusammengekommen, um festzustellen, ob Ihr an die Richtigkeit Eurer eigenen Handlungsweise glaubt. Welch eifernder Wahn könnte hier zur Verteidigung vorgebracht werden, wenn wir das Gesetz ignorieren würden, um stattdessen die aufrichtige Überzeugung eines Verbrechers
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