Das Gewölbe des Himmels 2: Der Unrechte
unsere Versuche, das Gesetz festzuschreiben, sind dürftig. Sie erwachsen aus der Fehleinschätzung, dass eine Gruppe von Menschen mehr davon versteht als eine andere, und wir gehen in die Irre, wenn wir einen Weg einschlagen, der die Macht von Forda I’Forsa missbraucht, wenn wir mehr Macht ausüben, als uns zusteht. Dieses Leben ist unbequem, aber ihm den Stachel zu rauben bedeutet zugleich, ihm seinen Sinn zu nehmen.« Penit holte tief Atem, sah sich um und fing den Blick jedes seiner Zuschauer auf, zuletzt den von Tahn. Indem er wieder dorthin sah, wo sich die Regentin hätte befinden können, sagte er: »Ich erkenne die Autorität dieses höchsten Gerichts nicht an, meiner Taten wegen über mich ein Urteil zu fällen. Es ist ein Tribunal aus Männern und Frauen, die zu befangen in ihren eigenen Traditionen sind, um ein höheres Recht gelten zu lassen. Hiermit gewähre ich mir selbst Amnestie vom Urteil dieses Gerichts. Seine Entscheidungsfindung soll keine Auswirkungen auf mein Leben haben. Ihr werdet tun, was Ihr wollt, aber ich für meinen Teil sage noch einmal, dass ich mir selbst eine Freiheit gewähre, die von diesem Mummenschanz unabhängig ist.«
Jenseits des Feuers seufzte Braethen voller Mitgefühl mit dem Mann, den Penit spielte. Der Sodale ließ den Kopf hängen und umklammerte das Buch, das er in der Hand hielt. Neben ihm starrte Wendra Penit an und schien sich über das, was er gesagt hatte, genauso zu freuen wie über die Tatsache, dass er es ausgesprochen hatte. Tahn hatte den Eindruck, dass sie nahe daran war, den Jungen durch die Luft zu wirbeln und fest an sich zu drücken. Sutter sah nur unverwandt zu und sann vermutlich über die Dinge nach, die gesagt worden waren. Wer auch immer der Mann war, für den Penit sprach, er ähnelte dem Rübenbauern in seinem entschiedenen Eigensinn. Aber Tahn verspürte weder Mitleid noch Stolz, nur die Gewissheit, dass der Stoff der Erzählung richtig war.
Vendanji strich sich mit Daumen und Zeigefinger über den Bart und wandte sich ab, der Nacht zu. Und während die Szene, die Penit gespielt hatte, stillstand, während alle über das nachdachten, was sie gehört hatten, sah Grant den Jungen endlich an, so dass sein Gesicht den Feuerschein auffing und sein warmes Leuchten widerspiegelte. Es lag vielleicht an der Hitze der Flammen oder einfach an der Helligkeit des Feuers, aber die Augen des Mannes schienen vor Ergriffenheit zu funkeln. Sein sonst so gleichmütiges Gesicht verlor für einen Augenblick die Beherrschung, wenn auch nur durch einen Hauch unvergossener Tränen. Der Verbannte tauschte einen langen Blick mit Penit und brachte so stumm seine Wertschätzung für die Erzählung zum Ausdruck, bevor er sich wieder der Dunkelheit und seiner Wache zuwandte.
Penit drehte sich ein letztes Mal um und nahm die Ausgangsposition seiner Erzählung ein. Ein entschlossener Ausdruck trat auf sein Gesicht, eine Miene, die sich von denen der anderen Figuren unterschied, die er dargestellt hatte. Der Junge sah ins Feuer und begann, mit der Stimme der Regentin zu sprechen: »Ich werde Euch Eure Blasphemie verzeihen, weil ich weiß, dass Ihr vor der großen Herausforderung steht, die Gerechtigkeit mit Euren Taten in Einklang zu bringen.« Mit einem boshaften Blick fuhr Penit fort: »Ihr seid nicht anders als die unzähligen Männer und Frauen, die hergebracht werden und ihre Verbrechen zu vertuschen oder zu rechtfertigen versuchen, weil sie ein hartes Urteil fürchten.« Noch zorniger fügte er hinzu: »Ich bedaure nur, dass ich Euch ins Vertrauen gezogen habe. Ich frage mich, ob Ihr Euch so untadelig fühlen würdet, wenn Ihr nie zum Meritus der Regentin erhoben worden wärt. Vielleicht seid Ihr selbst zu dem scheinheiligen Adel geworden, den Ihr so verachtet.« Penit machte eine wegwerfende Handbewegung. »Ich gestatte nicht, dass das Gericht sich zur Entscheidungsfindung zurückzieht. Ich will, dass sofort per Handzeichen über die Schuld des Angeklagten abgestimmt wird.« Penit ließ den Blick in die Runde schweifen. Der verstörte Ausdruck des Jungen, als er sich im Kreis ums Feuer umsah, ließ Tahn bis ins Mark erschauern. Ohne auch nur einen einzigen Geschworenen zu sehen, wusste er, wie die Abstimmung verlaufen war. Mit beunruhigendem Vergnügen verkündete Penit: »Das Protokoll wird ein einstimmiges Urteil festhalten. Schreibt alles Übrige so nieder, wie ich es nun sage.« Penit hob den Kopf, um hochnäsig auf die Flammen herabzublicken – auf den
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