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Das Gewölbe des Himmels 2: Der Unrechte

Das Gewölbe des Himmels 2: Der Unrechte

Titel: Das Gewölbe des Himmels 2: Der Unrechte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Orullian
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scheuchten mehrere Raben auf. Als Flügelschläge auf Tahns Wut antworteten und die Morgenluft erfüllten, wandte Mira sich ihm zu. »Lass mich offen mit dir sprechen, Jäger.« Dass sie statt seines Namens diese Allerweltsbezeichnung verwendete, war wie ein Schlag ins Gesicht. »Ich achte deine Bereitschaft, hier zu sein und auf einen Willenslenker und seine Pläne zu vertrauen. Aber bring uns nicht mit deiner Torheit und deinen Unsicherheiten noch mehr in Gefahr. Warum, glaubst du, hat Vendanji über so vieles geschwiegen? Vielleicht liegt es daran, dass ein Kind, das noch kaum zum Manne geworden ist, nicht die innere Stärke hat, die ganze Wahrheit zu hören. Vielleicht wärst du, wenn du alles wüsstest, vor der Aufgabe zurückgescheut …«
    Tahn spürte, wie schneidend ihre Worte waren, und wäre gern geflüchtet, aber er konnte nirgendwohin, und ihm wurde bewusst, dass alle Ohren diese Unterhaltung mit anhörten.
    »Wir können den Tillinghast durchaus unbeschadet erreichen. Ich rate dir, deinen Frieden mit deinem Entschluss mitzukommen, zu machen und uns mit allen Fähigkeiten, die dir zu Gebote stehen, dabei zu helfen, unser Ziel zu erreichen. Verstehst du? Was für eine Verschwendung von Wörtern, dir das alles sagen zu müssen. Vielleicht hast du unsere Verfolger mit deiner Berufung auf dein Recht auf uns aufmerksam gemacht. Kehr doch um, wenn du es keinen Augenblick länger ertragen kannst, wenn deine Unsicherheit dein Herz schwach werden lässt. Denn das bewirkt gewiss, dass du am Tillinghast versagst!«
    Sie schwieg; die Stille, die folgte, war ohrenbetäubend. Tahn konnte ihren Blick nicht länger ertragen und sah auf die friedliche Landschaft hinaus, die er noch vor einem Moment glücklich mit ihr geteilt hatte. Als Vendanji schließlich in die Bäume hinabritt, folgten ihm die anderen. Zu Tahns Verblüffung legte Mira eine Hand auf seine, die auf dem Sattelknauf ruhte. »Manchmal müssen wir ein ernstes Wort mit denjenigen reden, die uns wichtig sind. Aber hab keine Angst, Tahn. Ich glaube an dich.«
    Damit trieb sie Solus an, überholte alle und verschwand tief im Kiefernwald.
    Tahn dachte an das, was Sutter gesagt hatte, an sein Entsetzen über seine wahren Eltern und das, was ihm beinahe zugestoßen war. Er dachte an das, was sein Freund über ihre Väter gesagt hatte, diejenigen, die sie nicht im Stich gelassen hatten. Er dachte an Wendras Vergebung.
    Und dann dachte er an die schneidende Wahrheit in den Worten, die Mira gerade an ihn gerichtet hatte.
    Die Unschlüssigkeit, die er seit den schmerzlichen Enthüllungen verspürt hatte, war verschwunden. Diese vielen kleinen Wunder an Worten und Taten hatten Tahns Entschlossenheit gestärkt. Er würde sich dem Tillinghast stellen, was auch immer das heißen mochte.
    Und noch stärker als dies war seine Liebe zu der Fern – eine Liebe, die er weder erklären noch leugnen konnte. Doch sogar das machte ihn besorgt, als er an Sutters Vision zurückdachte.
    Sie bewegten sich vorsichtig über die unberührte Schneefläche. Hohe Kiefern ragten um sie herum auf; viele davon hatten eine elfenbeinfarbene Rinde, wie Tahn sie noch nie gesehen hatte. Sonnenstrahlen fielen hier und da durch die Bäume und erschufen kristallgleiche Splitter aus reflektiertem Licht. Dank des Dufts der Kiefernnadeln und des Schnees roch die Luft rein, frei vom Moder des Laubs vom Vorjahr. Das Knirschen der Hufe durchbrach die Stille und klang in dieser Ruhe viel lauter als sonst, aber sogar Grant wirkte recht entspannt, bis das Dröhnen eines Trommelschlags die Morgenluft durchschnitt.
    Der tiefe Ton erschreckte die Pferde. Mehrere von ihnen bäumten sich auf, als ob sie erkannten, wie unheilverkündend d ie Trommeln waren. Ihr schrilles Wiehern ließ den Morgen im Chaos versinken, während eine zweite Trommel der ersten antwortete und eine dritte den Ruf der anderen beiden erwiderte, von vorn, hangaufwärts und hangabwärts … Sie saßen in der Falle.
    Als die Pferde sich beruhigten, sah Tahn sich schnell in alle Richtungen um. Er spannte seinen Bogen und legte einen Pfeil an die Sehne. Braethen hielt sein Schwert bereits in der Hand und betastete nachdenklich die Klinge. Dann ertönte von fern das Geräusch von Füßen, die aus allen vier Himmelsrichtungen durch den Schnee brachen, und brandete wie das Zischen einer Mutter, die ihr Kind ermahnt, still zu sein, auf sie ein.
    Mira stieg ab und zog Tahn aus Joles Sattel. Sie rannten auf eine Lichtung unmittelbar hangaufwärts von

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