Das Gewölbe des Himmels 2: Der Unrechte
Schwangerschaft glich, vor der Nacht, in der er gesehen hatte, wie sich die Verderbtheit des Borns über ihr Kindbett gebeugt hatte, und er unfähig gewesen war, sie zu beschützen. Aber wie sehr hätte er ihr überhaupt helfen können? Die Worte, die er sprach, wenn er den Bogen spannte, sein Bedürfnis, sich im Einklang mit dem Allwillen zu fühlen … War das alles wirklich er selbst? Vielleicht waren die Geheimnisse des Sheson und seines Vaters – Grant – für seine Untätigkeit verantwortlich. Plötzlich wollte er Wendra unbedingt alles erzählen, damit sie verstehen konnte, was geschehen war, als ihr Kind in die Nacht verschleppt worden war.
Also tat er es. Er redete sich eines seiner ältesten Geheimnisse von der Seele, die Notwendigkeit, die Richtigkeit jedes Schusses zu überprüfen, die Worte, die er deshalb rezitierte. Und er erklärte ihr, wie er diese Worte ausgesprochen hatte, als er auf den Bar’dyn gezielt hatte, der in ihr Haus eingedrungen war, um das Kind zu rauben. »Ich hatte das Gefühl, nicht schießen zu dürfen«, sagte er. »Ich kann es nicht erklären, Wendra. Es ergibt keinen Sinn. Aber es tut mir so leid. Wenn ich mir je gewünscht habe, zu einem bestimmten Zeitpunkt in meinem Leben nicht auf diese Gefühle geachtet zu haben …«
Wendra lächelte matt.
»Ich will diesen Schuss zurück«, sagte er. »Selbst wenn ich das Kind nicht hätte retten können, will ich noch einmal die Gelegenheit haben, diesen Pfeil abzuschießen.«
Im Innersten seines Herzen war er sich aber nicht sicher, ob er es hätte anders machen können, wenn sich ihm die Gelegenheit geboten hätte.
Wendra schüttelte den Kopf. »Sag so etwas nicht. Wenn diese Gefühle in dir aufrichtig sind, musst du auf sie hören.«
Tahn blickte zu dem Sheson hinüber, der sich auf den weiteren Aufstieg in die Saeculoren vorbereitete. »Sie sagen mir, dass diese Fähigkeit der Grund dafür ist, dass sie mich aus Helligtal geholt haben.« Er musterte sie und hoffte, das schwesterliche Mitgefühl zu sehen, das er immer bei ihr gefunden hatte. »Sie wollen, dass ich am Fels der Erneuerung darauf zurückgreife. Sie glauben, dass sie vielleicht ausreicht, mich zu bewahren …«
»Dich zu bewahren? Wovor?«, fragte Wendra rasch. Dann sah sie selbst in Vendanjis Richtung.
»Ich weiß es nicht«, antwortete Tahn. »Aber es kommt mir vor, als wäre es lange her, dass wir Helligtal verlassen haben. Es ist so viel geschehen. Ich fühle mich nicht mehr wie ich selbst.« Er hielt inne und sammelte sich. »Es tut mir leid, Wendra. Es tut mir so leid.«
Als er endete, fragte er sich, was sie wohl von alledem halten würde.
Wendra legte ihm die Hände an die Wangen und drehte sein Gesicht ganz zu ihrem eigenen herum. Sie sah ihn liebevoll an, und Tahn erkannte in ihr die Kraft seines Vaters Balatin, eine Stärke, die alles übertraf, was er sonst je gesehen hatte: den Willen zu vergeben.
Mit eindringlicher Miene flüsterte Wendra: »Mach dich frei davon. Ich gebe dir nicht die Schuld daran.«
Plötzlich hatte er den Eindruck, dass er vielleicht einfach zum Tillinghast gehen und dort bestehen konnte. Diese Frau hatte ihm vergeben, obwohl er unfähig gewesen war, sich selbst zu verzeihen. Er wünschte, er hätte einen Teil ihrer Kraft gehabt. Er zog Wendra eng an sich und schlang die Arme fest um sie. »Danke«, sagte er und sah, als er aufschaute, dass Vendanji sie beobachtete.
Tahn warf einen Blick auf Penit, dessen Aufmerksamkeit seine und Wendras Umarmung ebenfalls erregt hatte. Ein freudiger Ausdruck huschte über seine glatten Züge.
Dann richtete Wendra wieder das Wort an ihn: »Enthüllungen sind ein Teil dieser ganzen Reise.« Sie musterte ihn unverwandt; ihre Worte waren doppeldeutig.
»Wie meinst du das?«, fragte Tahn.
»Ich habe auch etwas über mich selbst erfahren, Tahn. Anscheinend liegen Begabungen in der Familie.« Sie lächelte ihn an und erläuterte ihm die Macht ihres Gesangs. Sie erzählte ihm von Jastail, vom Sklavenmarkt und dem schrecklichen Lied, das sie auf die Bar’dyn hinabgesungen hatte. Sie erzählte von Shanbe, der Discantus-Kathedrale und den Maesteri. »Ich habe erfahren, warum Vendanji mich aus Helligtal mitgenommen hat«, sagte sie. »Er wollte, dass ich an der Discantus-Kathedrale eine musikalische Ausbildung erhalte und den Leiholan beitrete, die das Leidenslied singen.« Ein bekümmerter Ausdruck huschte über ihr Gesicht. »Belamae brauchte meine Hilfe, aber ich konnte nicht bleiben, Tahn. Ich
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