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Das Gewölbe des Himmels 2: Der Unrechte

Das Gewölbe des Himmels 2: Der Unrechte

Titel: Das Gewölbe des Himmels 2: Der Unrechte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Orullian
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befähigte, zu arbeiten und das Verständnis zu erwerben, das man benötigt, um Sheson zu werden. Und dann kam endlich der Tag, an dem mir die Macht, den Willen zu lenken, übertragen wurde.«
    »Übertragen?«, fragte Tahn. Er war immer davon ausgegangen, dass die Kraft, den Willen zu lenken, angeboren wäre, eine natürliche Begabung.
    »Das überrascht dich.« Tahn glaubte, dass Rolen lächelte. »Ja, übertragen. Aber sie wird einem nicht unverdient geschenkt; zumindest war es zu Anfang nicht so. Jeder, der nach der Macht strebte, den Willen zu lenken, musste nicht weniger als acht Jahre studieren. Dies sollte dazu dienen, die Absichten des Schülers auf die Probe zu stellen. Nur sehr wenige halten die Abfolge von Studien und Übungen durch. Entweder ist man ohnehin schon geduldig, oder man lernt, sich zu gedulden. Diejenigen, die dazu nicht in der Lage sind, verlassen den Orden wieder, ohne die Macht erhalten zu haben, und das Recht, den Willen zu lenken, kann einem nur von jemandem verliehen werden, der bereits über die Autorität verfügt, sich seiner selbst zu bedienen.«
    Tahn setzte den Gedankengang fort: »Aber was ist dann mit den Velle?«
    Es war Rolen anzuhören, dass er in der Dunkelheit das Gesicht verzog. »Der Weiße hat seine Draethmorte, die den Willen lenken können und die Macht haben, die Fähigkeit dazu zu übertragen, genau wie die Sheson. Und außerdem« – er seufzte tief – »besteht der Sheson-Orden aus Männern und Frauen, mein Freund, und die Menschheit ist fehlbar. Es wird immer einige unter uns geben, die ihrer Berufung und Verantwortung nicht in vollem Maße gerecht werden können. Eitelkeit und Gier setzen einem Sheson so sehr wie jedem anderen Menschen zu, und es gibt einige, die im Laufe der Zeit diesen niederen Gelüsten nachgegeben haben. Die Verlockungen des Einen haben sogar gute Diener verführt, einen anderen Weg einzuschlagen.« Er senkte die Stimme. »Und die Macht, den Willen zu lenken, bleibt ihnen unverändert erhalten. Sie können sogar auf andere das Recht übertragen, aus dem Willen zu schöpfen, wie es ihnen gut erscheint. Diese abtrünnigen Sheson verzichten auf die Prüfung der Zeit und die Übungsperiode, und so sterben viele daran, dass die Gabe ihnen verfrüht übertragen wird. Aber dennoch strömen diese Schurken dem Weißen zu und sind ihrer Sache vielleicht weit mehr ergeben als wir der unseren, weil Verbitterung, Ernüchterung und Enttäuschung über ihre ursprüngliche Sache sie den leeren Verheißungen des falschen, hohlen Rufs des Einen in die Arme treibt.«
    »Warum gibt es dann nicht noch mehr von ihnen?«, fragte Tahn. »Könnte eine Armee von Velle nicht leicht eine Armee von Schwertern besiegen?«
    »Den Willen zu lenken ist trotz allem schwierig, Tahn. Die Fähigkeit dazu zu übertragen stellt noch nicht sicher, dass der Lenker dabei unversehrt bleibt, und die Hast, mit der die Stilletreuen ihre Schüler unterrichten, sie für würdig erklären und ihnen die Macht übertragen, kostet die meisten ihrer Novizen schon in den ersten Augenblicken, in denen sie den Willen zu lenken versuchen, das Leben … und so ergeht es auch manchem Sheson.«
    Tahn wurde ungeduldig. »Aber warum bleibst du in Ketten hier? Selbst wenn du dich von Gier hast verleiten lassen, hast du doch immer noch die Macht, dich zu befreien, nicht wahr?«
    »Der Teller, den ich mit dir geteilt habe«, begann Rolen, »enthält nie mehr als kleine, schale Portionen, gewöhnlich verschimmeltes Brot, und das Wasser reicht kaum aus, mir die Zunge zu befeuchten …« Er hielt inne, fuhr aber fort, als Tahn nichts erwiderte. »Bei diesen Rationen kann ich nicht zu Kräften kommen. Die Dunkelheit belastet mich, und die schlechte Ernährung schwächt mich sehr. Die Eisenringe drehen sich heute lockerer um meine Handgelenke und Knöchel als an dem Tag, an dem ich hergekommen bin. Meine Forda I’Forsa hat gelitten. Wenn ich versuchen würde, hier aus dem Willen zu schöpfen, könnte das leicht meinen Tod bedeuten. Selbst wenn ich es überleben könnte, den Willen zu lenken, um meine Fesseln zu sprengen, würden immer noch weitere zehn Hindernisse zwischen mir und der Freiheit liegen, und den Willen mehrfach zu lenken würde mich so auslaugen, dass ich es nicht überstehen würde. Aber das ist nicht der Grund, weshalb ich bleibe«, fügte Rolen rasch hinzu und schwieg dann.
    Tahn versuchte sich zusammenzureimen, was genau der Sheson gesagt hatte. Er lauschte in der Dunkelheit dem Keuche n des

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