Das Gewölbe des Himmels 2: Der Unrechte
geschleuderte Speere aufzustreben.
Der Wagen kam knarrend zum Stehen, was Wendra veranlasste, den Blick wieder zur Erde zu richten. Die Fenster auf Augenhöhe ließen nichts von der Großartigkeit der höhergelegenen erkennen: Sie waren mit Holzplanken vernagelt, entweder um die bunten Glasmosaiken zu verdecken oder um Lücken aufzufüllen, die das Wüten eines Vandalen hinterlassen hatte.
Doch trotz der unansehnlichen Fenster und des gealterten Steins, der an manchen Stellen von Flechten und verdorrten Ranken überwuchert war, ließ die Kathedrale Wendra das abstoßende Viertel ringsum vergessen. Die Discantus-Kathedrale ragte wie ein Monument der Kraft und des Edelmuts daraus hervor. Sie schien sowohl die Zukunft zu kennen als auch die Vergangenheit zu bewahren.
Nur einen Moment, nachdem sie angehalten hatten, schwang eine große, zweiflüglige Tür nach innen auf, und zwei Männer eilten heraus und die steinernen Stufen zu ihnen herunter. Beide trugen weite Hosen, die von breiten scharlachroten Schärpen gehalten wurden, die jeweils auf der linken Hüfte geknotet waren, und schlichte Jacken mit Taschen auf beiden Brustseiten.
»Wir laden im Handumdrehen ab«, sagte einer von beiden fröhlich, als er am Wagen eintraf, und beachtete Wendra und Penit gar nicht, während er die Wagenplane abnahm und einen Teil von Shanbes Fracht hochhob.
Der zweite Mann blieb auf der untersten Stufe stehen, als er die zusätzliche Ladung in Menschengestalt bemerkte. »Was ist das denn, Shanbe? Ich hoffe, du rechnest nicht mit zusätzlicher Bezahlung für die da!« Er zeigte lächelnd mit dem Finger auf Wendra und Penit.
»Seid auch ihr mir gegrüßt, Henny und Ilio.« Shanbe sprang zu Boden. »Das sind Freunde von mir. Ich habe vor, sie Belamae vorzustellen.« Der Ta’Opin lehnte sich gegen die Seite seines Wagens und lächelte, als hätte er ein Geheimnis vor den beiden Männern.
»Das ist schön«, sagte Henny und verneigte sich unbeholfen, bevor er sich abwandte, um seinen Armvoll Instrumente in die Kathedrale zu tragen. Trotz seiner Eile ging er äußerst behutsam mit ihnen um. »Komm schon, Ilio, wir müssen arbeiten!«
Ilio wandte den Blick nicht von Wendra ab, als er zwei kleine Kästen vom Wagen hob. »Ist sie schon vergeben?«, fragte er und neigte den Kopf in Richtung des Ta’Opin, während er Wendra immer noch anstarrte.
»Ich glaube nicht, dass sie dich verstanden hat«, spottete Shanbe. »Wenn du ein bisschen lauter sprichst, antwortet sie dir vielleicht.« Der Ta’Opin bückte sich, um sein Lachen zu verbergen.
Ilio schenkte Wendra ein verlegenes Lächeln und wurde rot. Er hielt die Kästen vor der Brust, trat von einem Fuß auf den anderen und schien nicht zu wissen, was er sonst tun sollte. Plötzlich zuckte er zusammen, als hätte er Shanbes spöttisches Gelächter gerade erst gehört. Sein gerötetes Gesicht wurde ärgerlich.
»Du bist verantwortlich für sie«, sagte er und beugte sich über die Kästen. »Zimmer, Essen, Kleidung … Benehmen.« Dann eilte der Mann Henny nach die Stufen hinauf.
»Ich bin mir sicher, dass du sie beeindruckt hast«, rief Shanbe Ilio nach. Dann sah er Wendra lächelnd an. »Vergebt mir, Anais, aber ich kann mir einfach keine Gelegenheit entgehen lassen, mit anzusehen, wie Ilios Gesicht diese Farbe annimmt. Wenn ich dieses Rot irgendwie herstellen könnte, würde ich ein Vermögen mit gefärbten Stoffen verdienen!«
Wendra fiel in Shanbes ansteckendes Lachen mit ein, als der Ta’Opin ihr vom Wagen half. Penit kicherte fröhlich, obwohl er den Witz kaum zu verstehen schien. Shanbe hob den Jungen vom Wagen und wartete einen Moment, bis Henny wieder ins Freie kam, bevor er die Stufen zur Tür hinaufstieg.
»Kümmerst du dich um meinen Wagen und um das Gespann?«, fragte Shanbe den Mann.
»Natürlich«, antwortete Henny.
Shanbe tätschelte ihm den kahlen Kopf und führte Wendra und Penit dann zu der zweiflügligen Tür, die jetzt offen stand, um sie einzulassen.
»Dies ist ein besonderer Ort«, sagte Shanbe, ebenso sehr an sich selbst wie an Wendra und den Jungen gerichtet.
Wenn man am oberen Ende der Treppe stand, wirkten die Türflügel viel größer. Sie wiesen Schnitzereien auf, die Wendra nicht deuten konnte. Die Narben der Zeit ließen sie eher wie Haut als wie bloße Türen wirken. Hinter ihnen umschmeichelte kühle, milde Luft Wendras Wangen, begleitet vom Duft nach Räucherwerk aus Zedernholz und Fruchtschalen, und noch etwas anderem … dem fernen Echo eines
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