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Das Gift der alten Heimat

Das Gift der alten Heimat

Titel: Das Gift der alten Heimat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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fort, »will mit den beiden Jungen tatsächlich nach München fahren.«
    Ruhig antwortete Erna: »Das habe ich mir schon gedacht.«
    »Ich nicht«, erwiderte Paul.
    »Dann müssen die beiden aber vorher noch zum Friseur«, erklärte Erna.
    »Du bist also nicht überrascht?«
    »Nein«, erwiderte Erna, lächelnd zwischen Paul und Johann hin und her blickend, »denn ich habe von deinem Onkel den Eindruck, daß das, was er sagt, gilt.«
    »Recht hat sie!« sagte Johann grinsend zu Paul.
    »Er will mit denen sogar fliegen«, teilte Paul seiner Gattin mit und forderte damit ihren Widerspruch heraus.
    »Nein!« rief sie spontan.
    »Warum nicht?« fragte Johann.
    »Ich hätte Angst, daß etwas passiert!«
    In dem Disput, der sich entspann, hätte Erna unterliegen müssen. Sie wäre als eine Person aus dem vorigen Jahrhundert dagestanden, wenn nicht Onkel Johann von sich aus gesagt hätte, daß er keinen Grund habe, sich über Erna lustig zu machen, da es besser gewesen wäre, wenn auch seine eigene Frau das Fliegen abgelehnt hätte.
    »Du bist verheiratet?« fragte Paul.
    »Ich war es.« Johanns Miene hatte sich verdüstert. »Meine Frau ist abgestürzt, vor zwölf Jahren, zusammen mit unserer einzigen Tochter.«
    »Um Gottes willen!« stieß Erna hervor und fühlte sich echt geschockt, obwohl Onkel Johann erklärte, daß er unter diesem Schicksalsschlag heute nicht mehr leide. Die Zeit heile eben auch die größten seelischen Wunden.
    Das Gespräch wurde wieder angenehmer, als Johann entschied: »Zu deiner Beruhigung, Erna: Wir fahren mit der Eisenbahn. Vom Fliegen sagen wir den Boys erst gar nichts.«
    »Und ich werde mitkommen«, nickte Paul. »Natürlich auf meine Kosten. Ich will das doch selbst auch mal erleben, wenn die Hamburger von den Bayern einen übergebraten kriegen.«
    »Das Spiel endet unentschieden!« sagte Johann mit Nachdruck.
    Pauls Ton wurde durchaus geringschätzig, so daß es Erna peinlich war.
    »Woher willst denn du das wissen?« sagte Paul.
    »Ich habe mich drei Tage lang in Hamburg umgehört. Der HSV verliert auf keinen Fall.«
    »Ja, dann«, sagte Paul ironisch. »Wenn du dich drei Tage lang in Hamburg umgehört hast …«
    »Dein Sohn Willi hält auch die Bayern für schwächer.«
    »Mein Sohn Willi ist ein Idiot! Sieh dir den Karl an, was der sagt!«
    Onkel Johann wandte sich an Erna, die mit gemischten Gefühlen zugehört hatte und die erste Gelegenheit wahrnehmen wollte, um zu flüchten.
    »Auf wen setzt du, Erna?«
    »Ich?!«
    »Auf Hamburg oder auf München? Oder glaubst du, wie ich, an ein Unentschieden?«
    »Da bist du an der falschen Adresse, Onkel Johann!« rief Paul dazwischen. »Die hat doch überhaupt keine Ahnung!«
    »Habe ich auch nicht«, sagte Erna lachend und verließ nun endgültig den Raum, um der Gefahr vorzubeugen, daß dem Metzger die Bratwürste ausgehen würden.
    Paul und Johann waren wieder allein. Das Zimmer, in dem sie saßen, war gediegen eingerichtet. Luxus enthielt es keinen, aber nach Armut sah es auch nicht aus. Nach einem Rundblick meinte Johann: »Dir geht es gut?«
    »Ja, ich habe mein Auskommen. Geschenkt wird einem natürlich nichts, man muß sich ranhalten. In zwei oder drei Jahren baue ich eine neue, vergrößerte Halle, dann wird es noch besser gehen.«
    »Und warum baust du die nicht schon jetzt?«
    »Weil ich das nötige Geld noch nicht zusammen habe. Weißt du, ich habe ganz klein angefangen, Onkel Johann. Als gewöhnlicher Schmied. Damals gab's noch Pferde zum Beschlagen. Es war ein verdammt harter Weg. Aber ich wußte immer, daß ich es schaffen werde. Eine prima Hilfe war mir meine Frau.« Paul senkte die Stimme. »Im Vertrauen, Onkel Johann, daß die mich geheiratet hat, wundert mich eigentlich noch heute. Sie war nämlich im Vergleich zu mir was Besseres, weißt du, und hätte studieren sollen. Ihr Vater war Akademiker und wünschte sich das von ihr. Aber dann hat sie sich für mich entschieden. Ihr Vater wollte daraufhin bis zu seinem Tode von ihr nichts mehr wissen. Nur die Mutter besuchte uns noch heimlich. Inzwischen sind sie beide schon tot. Von Erna hörst du aber trotzdem kein böses Wort über ihren Vater.«
    Onkel Johann blickte seinen Neffen an.
    »Du hast Glück gehabt, daß du diese Frau gefunden hast, Paul.«
    »Das weiß ich«, nickte Paul. »Ich habe, wenn ich zurückblicke, überhaupt immer wieder Glück gehabt. Nur eins klappt nicht …«
    »Was denn?« fragte Johann.
    »Von den Söhnen interessiert sich keiner für meinen Betrieb.

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