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Das Gift der alten Heimat

Das Gift der alten Heimat

Titel: Das Gift der alten Heimat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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wieder.«
    »Vorhin warst du der Idiot!« setzte Willi sich zur Wehr.
    »Halt's Maul!«
    »Habt ihr euch gestritten?« fragte Ingrid.
    »Ja, weil er keine Ahnung hat«, erwiderte Karl.
    »Von was?«
    »Vom Fußball.«
    »Wir werden ja an Ort und Stelle sehen, wer in München gewinnt«, ließ sich Willi vernehmen.
    Ingrid horchte auf.
    »An Ort und Stelle?«
    »Wir fahren!« verkündete Willi stolz.
    »Wohin?«
    »Ins Münchner Olympiastadion zu Bayern - HSV.«
    Ingrid blickte Karl an.
    »Tatsächlich?«
    »Ja«, nickte Karl. »Wir haben Besuch von einem Onkel aus Amerika, der bezahlt das.«
    »Es ist sein Mitbringsel für uns«, ergänzte Willi.
    Ingrid war beeindruckt.
    »Toll!« sagte sie. »Dann muß der ja gut bei Kasse sein?«
    »Sicher«, sagten die beiden Brüder wie aus einem Munde, obwohl sie davon ursprünglich durchaus nicht überzeugt gewesen waren.
    Karl fuhr fort: »Kommst du jetzt mit auf ein Eis?«
    »Nein«, entgegnete Ingrid.
    »Warum nicht?«
    »Ich muß das erst Harald berichten.«
    Harald war ihr Bruder, der junge Reporter beim Lokalblättchen. Und wie der Zufall so spielt – Harald kam in diesem Augenblick um die Ecke. In einer Kleinstadt ist so etwas gar nicht so ungewöhnlich. Willi sah ihn als erster.
    »Wenn man den Teufel nennt, kommt er gerennt«, sagte er keck.
    »Hallo, Jungens«, begann Harald, der auf dem Weg in die Redaktion war. »Was habt ihr vor mit meiner Schwester? Was auch immer, ihr könntet es bereuen, seid deshalb vorsichtig mit ihr.«
    »Karl wollte sie zu einem Eis einladen«, sagte Willi.
    »Das wird sie gern akzeptiert haben?«
    »Nein«, sagte Karl.
    »Warum nicht?«
    Karl zögerte mit der Antwort.
    »Sie steht nicht auf ihn«, ließ sich an seiner Stelle Willi vernehmen.
    »Sie wollte erst mit dir reden, Harald«, sagte nun Karl rasch.
    Harald blickte seine Schwester an.
    »Worüber?«
    Endlich kam auch Ingrid zu Wort. Sie erzählte, was sie von Karl und Willi erfahren hatte. Das sei doch etwas für die Zeitung, schloß sie.
    Haralds Entschluß war schon gefaßt.
    »Kommt mit, Jungens, ich war ohnehin gerade auf dem Weg zu unserem Laden.«
    In der Redaktion wurde dem Chef Bericht erstattet, der daraufhin einen Artikel über die Verschmutzung des Rheins in der nächsten Ausgabe des Blattes zurückstellte, um Platz zu gewinnen für die Veröffentlichung über Johnny Miller aus Amerika. Ein Foto vom Brüderpaar Karl und Willi wurde geschossen, damit es für die Abonnenten auch etwas zu sehen und nicht nur zu lesen geben würde.
    »Was macht euer Onkel in Amerika?« fragte der Chef.
    Sowohl Karl als auch Willi zuckten die Schultern.
    »Das wißt ihr nicht?«
    »Nein«, sagte Karl.
    Für den Chefredakteur stand trotzdem das Wesentliche fest.
    »In Amerika«, sagte er, »gibt's Millionäre wie Sand am Meer. Die können sich, ohne mit der Wimper zu zucken, solche Ausgaben leisten und tun es auch. Deutsche nicht! Oder hat man schon jemals gehört, daß z.B. einer von Stuttgart nach Braunschweig gekommen ist mit einem solchen Präsent? Ausgeschlossen! Die Schwaben schon gar nicht, die doch für ihre Sparsamkeit bekannt sind. Warum grinsen Sie?«
    Diese Frage war an Harald gerichtet, der antwortete: »Weil Sie selber Schwabe sind.«
    »Wollen Sie damit in verbrämter Form wieder einmal Ihrem Wunsch nach Gehaltserhöhung Ausdruck verliehen haben?«
    »Ja.«
    »Abgelehnt!« sagte der Chef prompt und setzte hinzu: »Die Schreibmaschine wartet auf Ihren Bericht über Mister Johnny Miller. Was stehen Sie hier noch rum und grinsen mich an? In fünfundzwanzig Minuten möchte ich das Ergebnis Ihrer Bemühungen auf meinem Schreibtisch liegen haben.«
    In dieser knappen Zeitspanne hätte nicht einmal der unnachahmliche Egon Erwin Kisch, dem man das Attribut ›Rasender Reporter‹ verliehen hatte, etwas Brauchbares zu Papier bringen können. Harald benötigte für sein Werk eineinhalb Stunden, aber dann hatte er es geschafft.
    So kam es, daß am nächsten Morgen ein Raunen durch die Stadt ging und sich die Rheinpromenade belebte mit Menschen, die einen Blick in die Fenster des Hauses der Familie Müller werfen wollten. Am heißesten diskutierte die Jugend der Stadt das Ereignis. Einen solchen Onkel wünschte sich jeder.
    Erna Müller, die von der Familie als erste in die Zeitung guckte, wechselte die Farbe. Sie trommelte Paul aus dem Bett, der am Abend zuvor zusammen mit Johnny noch ein paar Flaschen Wein geleert hatte und sich deshalb ein Stündchen zusätzlichen Schlafes gönnen wollte.

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