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Das Gift der Engel

Das Gift der Engel

Titel: Das Gift der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Buslau
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Geschenk machen. Vielleicht dafür, dass er das Buch gekauft hat …
    Reine Spekulation, dachte Alban. Du hast noch immer keinen Beweis dafür, dass sich Joch und Dagmar Dennekamp überhaupt kannten. Und du hast erst recht keinen dafür, dass Dennekamp oder seine Frau etwas mit der Partitur zu tun haben. Und du bist verwirrt, weil du auf Leas CDs gestoßen bist und nun das Gefühl hast, all das hätte auch noch mit ihr oder dir zu tun. Aber das ist Einbildung.
    Er startete den Motor. Bevor er den Wagen aus der Lücke manövrierte, stellte er den Jutesack in den Fußraum. Eine CD rutschte heraus. Es war die selbst gebrannte. Alban nahm sie aus der Plastikbox und steckte sie in den Player. Er hatte den Wagen gerade auf die Straße gelenkt, da setzte die Musik ein.
    Gestoßene Akkorde. Eigenartige Modulationen. Weder von einem Synthesizer noch von einem Streichquartett gespielt, sondern von einem richtigen Streichorchester. Begleitet von den silbrigen Akkorden eines Cembalos, wie es bei Barockmusik üblich war.
    Alban nahm überrascht den Fuß vom Gas. Hinter ihm hupte jemand. Er riss sich zusammen, fuhr langsam weiter und starrte auf die Straße, doch in Gedanken war er bei der Musik, die aus den Boxen strömte.
    Die Arie, dachte Alban. Es gibt überhaupt keinen Zweifel, dass es die Arie ist.
    Die gestoßenen Akkorde wanderten weiter. Unaufhaltsam näherten sie sich der Stelle, an der die Singstimme einsetzen würde. Alban wurde immer deutlicher bewusst, dass ihm ein kleines Wunder bevorstand. Der Vokalpart war unsingbar. Und nun würde sich gleich zeigen, dass es tatsächlich jemanden gab, der diesem Stück gewachsen war. Diese CD würde es beweisen. Nur noch drei, vier Takte. Alban zählte mit, während er durch die Altstadt rollte.
    Noch ein Auftakt, und jetzt, eins, zwei, drei und –
    Nichts.
    Die Streicher spielten einfach weiter ihre leeren Akkorde. Lange Töne. Jetzt kam die Passage, in der die Stimmen diesen eigenartigen Tausch hinlegten.
    Die Solostimme fehlte.
    Was soll das sein?, dachte Alban. Ein Play-back? Eine Demoversion? Ein Probenmitschnitt?
    Kopfschüttelnd ließ er das Stück zu Ende spielen und hoffte, dass es noch etwas anderes zu hören geben würde. Dass noch mehr auf der CD war.
    Doch es herrschte Stille im Wagen. Alban drückte den Vorwärts-Knopf. Aber es half nichts.
    Auf der CD war nur dieser eine Track.
    Dieses eine Stück.

13
    Ohne darüber nachzudenken, hatte er die Spur gehalten, war an roten Ampeln stehen geblieben, hatte Gas gegeben und gebremst. Seine Gedanken waren gekreist, während er immer und immer wieder die Arie abgespielt hatte. Irgendwann fand sich Alban auf der Adenauerallee wieder, genau an der Stelle, wo er nach Godesberg abbiegen musste.
    Jetzt konnte er zu Kessler gehen und zeigen, dass es eine Verbindung zwischen den Fällen Dennekamp und Joch gab. Er brauchte nur zum Polizeipräsidium zu fahren und dem Hauptkommissar die CD vorzuspielen.
    Nein, dachte Alban. Das reicht nicht.
    Dagmar Dennekamp konnte die Partitur genau wie die CD aus irgendeinem antiquarischen Nachlass gefischt haben, ohne dass ihr Ehemann das wusste. Das würde sogar passen. Der Komponist, der hier versuchte, eine Arie im Neobarock zu schreiben oder etwas zu rekonstruieren, hatte eben auch für eine bestimmte Aufnahme gesorgt. Warum nicht?
    Und dass auf der CD nur die Begleitung zu hören war – das war seltsam, aber es bewies nichts. Musste das etwas mit dem Mord zu tun haben? Natürlich nicht. Alban sah Kesslers spöttisches Gesicht vor sich.
    Das ist doch alles Zufall, Nikolaus.
    Er brauchte einen unwiderlegbaren Beweis. Einen Beweis dafür, dass sich Dr. Joch und Dagmar Dennekamp kannten. Ein Brief von ihm an sie oder umgekehrt, eine persönliche Widmung.
    War eine in der Ausgabe von »Mondschatten« gewesen, die Alban in Jochs Wohnung gesehen hatte? Er hatte nicht darauf geachtet.
    Vielleicht kam Joch ja irgendwo in Dagmars Tagebüchern vor? Hatte Dr. Joch Dagmar vielleicht in Erpel besucht? Das wäre eine Möglichkeit!
    Alban erreichte die Einmündung zur Plittersdorfer Straße. Er stoppte den Wagen und überlegte. Es dauerte eine ganze Weile, bis er sich entschieden hatte. Dann gab er Gas und fuhr an der Abzweigung vorbei.
    Mit der Fähre in Rolandseck gelangte Alban über den Rhein, wobei er aus dem Wagenfenster heraus die Aussicht auf den Drachenfels genoss. Dann fuhr er auf der Uferstraße weiter nach Süden.
    Die rechte Rheinseite erschien Alban ruhiger und einsamer als die linke.

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