Das Gift der Engel
wurde die Aufnahme sogar mit Studenten gemacht.«
»Und was ist, wenn die CD aus dem Ausland kommt?«
»Einen Versuch ist es wert.« Alban kratzte sich am Kopf. Er stand auf und holte sein Adressbuch. Schließlich standen auf einem der Blätter, die er immer für die Notizen zu seinen Kritiken verwendete, eine Reihe von Namen und Nummern.
Alban griff zum Telefon und wählte. Simone stand unterdessen auf und ging zum Fenster, wo sich Zerberus lang ausgestreckt hatte.
»Es meldet sich niemand«, sagte Alban und nahm gleich die nächste Nummer in Angriff.
Aus den Augenwinkeln sah er, wie Simone ihn beobachtete und zurückkam. Sie nahm die leere aufgeklappte Plastikbox einer CD in die Hand.
Wieder hatte Alban kein Glück. »Das habe ich befürchtet«, rief er. »Es wird schwierig. Die Musiker spielen natürlich alle irgendwo. Ich müsste mich bei den Agenturen informieren.«
Simone zog das weiße Faltblatt heraus, das als Cover in der Plastikbox steckte. Sie klappte es auf.
»Ich glaube, du kannst dir das alles sparen«, sagte sie.
»Wieso?«
»War hier die CD drin?«
»Ja.«
»Das heißt, der Dieb hat gar nicht die Box mitgenommen, sondern nur die CD selbst?« Simone hielt das weiße Einlegeblatt in der Hand, auf dem man die kopierten Stücke notieren konnte.
»Genauso war es. Als ich hinunterging, lag die CD auf dem Schreibtisch. Ich hatte sie noch nicht in die Box zurückgetan.«
Simone schob ihm das Papier hin. »Dann lies mal, was hier auf der Rückseite steht.«
Alban erkannte einen Stempel. Eine Adresse. »Amadeus-Studio«, las er. »In Köln.«
»Wenn die CD diese Aufschrift trägt, wird sie doch sicher auch dort entstanden sein.«
Alban griff sich an die Stirn. Dass er das übersehen hatte!
»Man sollte sich seine Indizien immer gut ansehen«, sagte Simone. »Sonst entgeht einem Entscheidendes. Du kannst wirklich von Glück sagen, dass ich dir helfe.«
»Ist ja schon gut«, brummte er.
Alban stand auf, noch immer leicht verärgert, weil er nicht selbst darauf gekommen war, das CD-Behältnis genauer zu untersuchen. In diesem Moment jodelte eine elektronische Melodie durch den Raum. Albans Telefon. Er nahm den drahtlosen Hörer und meldete sich.
Auf der anderen Seite herrschte Stille.
»Hallo? Hier ist Alban!«
Ein Geräusch, das Alban an das Schnaufen eines Walrosses erinnerte, drang an sein Ohr.
»Wer ist denn da?«
Ein Keuchen. Dann räusperte sich jemand.
Alban legte den Hörer auf den Schreibtisch und drückte den Lautsprecherknopf. Simone sollte mithören.
Beide starrten auf das Mobilteil. Wieder schnaufte es aus dem Gerät.
»Hallo?«, fragte eine kratzige Stimme. »Herr Alban?«
»Ja, hier ist Alban, wer ist da?«
»Dennekamp.«
»Herr Dennekamp! Was ist denn los?«
Etwas rauschte, dann gab es ein Krachen. Offenbar hatte der Antiquar sein Telefon fallen lassen.
Es dauerte eine Weile, bis er sich wieder meldete, und das Geräusch, was dann kam, war nur als Rülpsen zu identifizieren. Simone verzog das Gesicht. Alban drückte wieder den Knopf und nahm den Hörer ans Ohr.
»Herr Dennekamp, hören Sie mich?«
»… Alban? … Ja … höre … Sie.«
Ihm wurde klar, dass Dennekamp schlicht und ergreifend volltrunken war.
»… Dagmars Mörder … gefunden?« Der Rest ging in Gemurmel unter.
»Ich versuche, in der Sache weiterzukommen, Herr Dennekamp. Aber Sie müssen mir helfen. Ich brauche noch ein paar Informationen von Ihnen. Die Adressen. – Hallo, Herr Dennekamp, hören Sie mich?«
Die Stille wurde von einem leisen Geräusch unterbrochen. Alban brauchte eine gewisse Zeit, bis ihm klar wurde, dass Dennekamp weinte.
»Dagmar …«, brachte er hervor. »Suchen Sie …«
»Herr Dennekamp?«
»Mörder …«
»Sind Sie in Ihrem Laden oder in Ihrer Wohnung?«
»Laden …«, sagte Dennekamp, aber es war nicht auszumachen, ob das eine Antwort auf Albans Frage sein sollte. Vielleicht hatte er im Suff einfach nur wiederholt, was Alban gesagt hatte.
Es war sinnlos. Alban drückte den roten Knopf und stellte das Mobilteil auf die Station.
»Fahren wir zu ihm«, sagte er.
15
Das Tor stand offen. Alban deutete auf den verrosteten VW-Bus.
»Ich glaube, das ist sein Wagen. Er müsste also da sein. Hoffentlich ist er in der Lage, uns aufzumachen.«
Er klopfte an die Tür, aber es kam keine Reaktion. Wie bei seinem gestrigen Besuch blickte er erst einmal durch die Scheiben, und wieder war nichts als Dunkelheit zu sehen, in der man die Bücherhaufen und Regale nur
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