Das Gift der Engel
gehört, was auf ihr gespeichert war. Wir kennen also die Wahrheit.«
»Aber sie nützt niemandem etwas.«
»Warten wir es ab.« Alban verabschiedete sich und legte auf.
»Recht so. Gib’s ihm«, sagte Simone, die zur Tür hereingekommen war. Sie ließ sich in den Sessel fallen. Die Tür war noch angelehnt. Ein kleiner schwarzer Kopf sah herein.
»Dann sind wir ja wieder vollzählig«, sagte Simone. »Ich hab mir schon Sorgen gemacht, wo Zerberus ist.«
»Wahrscheinlich hat er sich unten irgendwo versteckt, als der Dieb kam«, meinte Alban. »Eine Katze ist eben kein Wachhund.«
»Dafür aber anschmiegsamer.« Sie strich Zerberus über den Rücken. Der Kater ließ es sich einen Moment gefallen, lief dann aber davon und zog seinen Platz am Fenster vor.
»Hast du noch Schmerzen?«, fragte Simone.
Alban schüttelte den Kopf. »Wahrscheinlich sind sie von dem Eifer vertrieben worden, mit dem ich diesen Fall weiterverfolge. Und du weißt doch, wie sehr ich Krankenhäuser und Arztpraxen hasse.«
»Dann können wir ja anfangen.«
»Wir?«
»Ich denke, du hast lange genug allein an der Sache herumgebastelt. Es wird Zeit, dass du Verstärkung kriegst. Du hast mir selbst angeboten, mitzumachen. Also – fangen wir an.« Simone zog die Beine an, umschlang sie mit den Armen und blickte nachdenklich an die Decke. »Welchen Informationen bist du noch nicht nachgegangen? Mit wem könnte man noch reden?«
Alban nahm einen Bleistift und drehte ihn zwischen Daumen und Zeigefinger. »Man müsste versuchen, diese Gräfin zu finden. Frau von Schaumburg. Falls sie überhaupt noch lebt.«
»Was gibt es noch?«
»Das Umfeld von Dagmar Dennekamp. Ihre Nachbarn in Erpel zum Beispiel. Außerdem die Schreibgruppe. Aber ich weiß nicht, wo sie sich trifft. Ich muss unbedingt noch mal mit Dennekamp sprechen.«
Beide dachten schweigend nach. Nach einer Weile kam Alban ein Gedanke.
»Wir sollten uns noch mal über den Inhalt der CD Gedanken machen.«
»Das Video?«
»Nein, eher die Musik. Auf der CD war doch die Begleitung der Arie. Der reine Streichersatz.«
Simone nickte. »Sozusagen das Play-back. Das haben wir ja schon x-mal durchgekaut.«
»Wie gesagt: In der Klassik gibt es so was wie ein Play-back eigentlich nicht. Bei klassischer Musik nimmt man Orchester und Solisten gemeinsam auf. Es ist ganz und gar unüblich, so ein Teil-Play-back zu produzieren. Bis auf eine einzige Ausnahme.«
»Tatsächlich?«
Alban stand auf und ging an sein Regal, dorthin, wo die Bretter etwas weiter auseinanderstanden, weil alte LPs Platz beanspruchten.
»Erinnerst du dich noch an die schwarzen CDs, die so groß waren, dass man sie nicht in die Player bekam?«, fragte Alban und grinste.
»So jung bin ich nun auch nicht mehr«, sagte Simone.
Alban zog eine Platte heraus und drehte das Cover nach vorne. »›Music minus one‹ – kennst du das?«
»Ich nehme an, du wirst es mir gleich erklären.«
»Das sind Schallplatten für Hobbymusiker, die nicht die Möglichkeit haben, mit einem Orchester zusammenzuarbeiten. Die Aufnahmen enthalten die Begleitparts berühmter Stücke. Man legt die Schallplatte auf und spielt dazu.«
»Gibt’s das auch auf CD?«, fragte Simone.
»Mit Sicherheit. Schau mal hier. Das ist die Kreutzersonate von Beethoven. Die habe ich mit der Platte geübt. Meine Güte, wie lange ist das her …«
»Wenn es das auf CD gibt, dann könnte doch diese CD mit der Arie so etwas gewesen sein. Übungsmaterial.«
»Das wäre vorstellbar. Aber so richtig passt das auch nicht. Solche Aufnahmen werden natürlich von berühmten Stücken gemacht. Sachen, die jeder spielen oder singen will. Ich bin sicher, es gibt zum Beispiel Mozart-Arien oder Arien aus Verdi-Opern. Alles, was man braucht, um sich mal als kleiner Pavarotti zu fühlen. Warum sollte jemand so eine Version von einem völlig unbekannten Stück anfertigen?«
»Da hast du recht. Und so was aufzunehmen ist sicher ein großer Aufwand. Man muss Musiker engagieren, das alles einüben … Und das bei einem Stück, das keiner kennt.«
»Vielleicht liegt genau darin eine Chance, etwas darüber herauszufinden.«
»Wie meinst du das?«
»Man könnte in Musikerkreisen gezielt nach jemandem suchen, der bei der Aufnahme dabei war. Musiker kennen sich untereinander.«
»Hm, ich kann mir nicht vorstellen, dass das funktioniert.«
»Vielleicht haben wir Glück. So etwas Besonderes spricht sich vielleicht herum. In Köln gibt’s eine große Musikhochschule. Vielleicht
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