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Das Gift der Engel

Das Gift der Engel

Titel: Das Gift der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Buslau
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man sein kann. Man kann sich ja nicht alles merken, oder? Aber es gelingt mir schon ganz gut, nehme ich an.« Zum ersten Mal bemerkte Alban ein Lächeln auf ihrem Gesicht. »Wer soll denn dieser Herr Joch sein?«
    Alban erklärte ihr, dass er von Jochs Freund eine Partitur bekommen hatte, die ihn zu Dagmar Dennekamp führte.
    »Ich möchte etwas über dieses Musikstück herausfinden. Wie lange treffen Sie sich hier schon?«
    »Ein paar Jahre. Wir arbeiten einmal im Monat. Das müssten Sie doch wissen. Von wem haben Sie denn eigentlich etwas über uns erfahren?«
    Kaum hatte Alban Martin Dennekamp erwähnt, rümpfte Delia die Nase. Sie nahm einen Aschenbecher und drückte ihre Zigarette aus.
    »Martin!« Ihre Stimme klang verächtlich.
    Alban schwieg, dafür schaltete sich Simone ein. »Mögen Sie ihn nicht?«
    »Das kann man wohl sagen.«
    »Delia«, rief eine der Frauen vom Flur aus. »Was ist denn los? Wo bleibst du?«
    »Noch einen Moment«, übernahm Alban die Antwort. »Wenn Sie Ihre Kollegin noch fünf Minuten entbehren könnten, wären wir Ihnen sehr verbunden.«
    »Geht das Gedicht noch mal durch«, rief Delia. »Achtet darauf, was die Worte bedeuten. – Eigentlich sollten sie sowieso mal ohne eine Anleitung klarkommen«, sagte die Poesiepädagogin und holte eine neue Zigarette hervor.
    »Was ist nun mit Martin Dennekamp?«, fragte Alban.
    Delia zündete die Zigarette nicht an, sondern hielt sie kalt in der rechten Hand.
    »Er hat uns ausgenutzt. Die Frauen aus der Gruppe und Dagmar auch. Letztlich ist er schuld an ihrem Tod. Ich würde sogar so weit gehen und ihn als ihren Mörder bezeichnen.« Das Feuerzeug flammte auf, und der Tabak entzündete sich leise knisternd.
    »Sie sollten darauf achten, was die Worte bedeuten«, sagte Alban und griff dabei bewusst Delias Formulierung auf. »Das ist eine harte Anschuldigung.«
    »Was wahr ist, muss wahr bleiben.«
    »Und wie meinen Sie das?«
    »Die Polizei wollte mir ja schon nicht glauben.«
    »Delia … Wir wollen das Geheimnis einer Partitur lüften. Dass uns dabei gleich zwei Morde über den Weg gelaufen sind, kann Zufall sein, muss es aber nicht.«
    Ihr Blick wurde herablassend. »Morde, die Ihnen über den Weg laufen, was? Sie haben ja vielleicht eine Ausdrucksweise. Haben Sie schon mal Morde mit Beinen gesehen?«
    »Sie wissen, was ich meine.«
    »Das sagen stümperhafte Schreiber und Redner immer.«
    Alban schluckte, aber er beherrschte sich. Es war offenbar ihre Art von Retourkutsche.
    »Es geht darum, ein Stück Musik zu entschlüsseln«, sagte er. »Ein Stück Musik, das Dagmar Dennekamp sehr gemocht hat.«
    »Woher wollen Sie das denn wieder so genau wissen?«
    »Ich habe von ihrem Mann, dem von Ihnen so gar nicht geschätzten Herrn Dennekamp, Texte von ihr bekommen. Und aus diesen Aufzeichnungen geht das deutlich hervor.«
    Delias Augen verengten sich. »Das Schwein hat Ihnen Texte von Dagmar gegeben?«
    »Warum denn nicht? Worauf ich hinauswill: Sie müssen doch verstehen, dass man einem Stück Musik sein Geheimnis entlocken will, dass man dahinterkommen will, was es bedeutet. Sie selbst schreiben Gedichte, und Sie lieben sicher die Gedichte anderer …«, Alban wollte Autoren sagen, doch er bekam noch rechtzeitig die Kurve, »… Autorinnen und möchten sie verstehen.«
    Delia rauchte schweigend.
    »War Frau Dennekamp vielleicht nicht nur schriftstellerisch, sondern auch musikalisch begabt?«
    Delia schüttelte den Kopf. »Dagmar hat man immer nur mit Notizbuch und Stift gesehen. Allerdings habe ich sie vor ihrem Tod nicht mehr so häufig getroffen. Sie ist unserem Kreis oft ferngeblieben. Vielleicht hatte es was damit zu tun, dass sie nach Erpel gezogen ist. Vielleicht aber auch nicht. Einmal kam sie in letzter Minute hier an und sagte, sie sei so berauscht gewesen vom Schreiben. Sie habe sich in einen Zustand hineingeschrieben, in dem sie Raum und Zeit vergessen habe.«
    »Sie war berauscht?«
    »Es gibt solche Schreibräusche. Man schreibt und schreibt, und es fließt aus einem heraus, und man kann es nicht aufhalten. Als habe man ein Reservoir im Unbewussten angestochen. Viele erleben diesen Zustand zunächst als etwas Angenehmes – vor allem wenn sie vorher lange um Kreativität und Inspiration gerungen haben. Doch dann wird das Ganze zu einer Sucht, die katastrophale Folgen hat. Man kann die Qualität seines Schreibens nicht mehr kontrollieren. Man füllt Seite um Seite ohne Rücksicht auf Inhalt und Form. Eigentlich sieht ein

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