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Das Gift der Schmetterlinge (German Edition)

Das Gift der Schmetterlinge (German Edition)

Titel: Das Gift der Schmetterlinge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F.E. Higgins
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»Danke«, sagte er leise.
    »Du wirst dich bestimmt daran gewöhnen.«
    Hoffentlich werde ich nicht lange genug hier sein, um mich daran zu gewöhnen, dachte er. Plötzlich spürte er eine unbeschreibliche Sehnsucht nach seinem eigenen Schlafzimmer und nach seinem Vater.
    »Zum Frühstück wird geläutet«, erklärte Polly hilfsbereit. »Hinterher erledigt jeder seine Arbeit, und danach musst du versuchen, draußen Geld zu verdienen.«
    »Für Mrs Fitch?«, fragte Hector.
    Sie zwinkerte. »Mrs Fitch nimmt etwas, klar. Aber sie kann nur nehmen, wovon sie weiß.«
    Hector lachte. Polly machte ein nachdenkliches Gesicht. »Weißt du, Hector, die Jungs hier … also, sie sind ja wirklich gutherzig, aber sie sind alle Südstädter. Und du, wo du doch aus dem Norden kommst … na ja, du musst vielleicht damit rechnen, dass …«
    »Du meinst, sie werden mich nicht mögen wegen meiner Herkunft?«, ergänzte er.
    »Hmm … ja. Am Anfang zumindest.« Sie ging zur Treppe und legte ihre Hand auf das Geländer. »Aber irgendwie wirst du’s überstehen, denke ich«, sagte sie grinsend. Dann stieg sie hinab in die Dunkelheit.
    Hector stellte die Kerze neben die Matratze auf den Boden und zog die Tür hinter sich zu. Er breitete die Arme aus und stellte fest, dass er Wand und Tür gleichzeitig berühren konnte. Die Mauer fühlte sich warm an. Aber natürlich!, dachte er. Dahinter musste der Schornstein sein, und unten in der Küche hatte Mrs Fitch wahrscheinlich den ganzen Tag das Feuer brennen. Er stellte seine Tasche auf den Boden neben sich und streckte sich auf der Matratze aus. Er gähnte herzhaft und tastete nach dem Kokon an seinem Hals. An ihm fand er in diesen Tagen immer wieder Trost. Dann dachte er, wie jeden Abend, seit seine Probleme angefangen hatten, an Gulliver Truepin. Er bezweifelte stark, dass der jetzt auch unter irgendeiner Treppe schlafen musste.
    »Warte nur, bis ich dich finde, Truepin«, schwor Hector wieder einmal. »Dann zahlst du für das, was du getan hast.«

Kapitel 8

    Metamorphose
    H
ector hatte recht. Während er sich in dem schrankartigen Gelass unter der Treppe einrichtete, stand zur gleichen Zeit sein einäugiger Feind in einer eleganten Pension nördlich des Foedus und betrachtete sich im Spiegel eines sehr viel größeren Zimmers. Wieder lagen auf der Bettdecke – in diesem Haus war sie allerdings aus Seide – eine Anzahl Kleidungsstücke ausgebreitet, nur waren sie diesmal von den besten Schneidern und Ausstattern der Stadt geliefert worden. Westen und Kniehosen, Hemden, Kragen und Manschetten, Strümpfe und Taschentücher – alles, was für die Garderobe eines Gentlemans nötig war. Viele Stücke waren aus Samt, der geradezu danach verlangte, gestreichelt zu werden (was Truepin auch tat), es gab Satin und Seide, Filz und Leinen, alles handgenäht. Und welch herrliche Farben – Scharlach- und Magentarot, Indigoblau und Malvenfarben, Lila und Golden und ein ganz besonders hübsches Olivgrün.
    Nachdem Hectors Widersacher eine halbe Stunde damit zugebracht hatte, seine neuen Kleidungsstücke zu befühlen, kleidete er sich in Blau und Scharlachrot. Die Krönung jedoch bildete ein dazu passendes Glasauge. Wieder betrachtete er das auffällige neue Auge, das ihm aus dem Spiegel entgegenstarrte. Es leuchtete hell, saß perfekt, und bei näherem Hinsehen wurde auch deutlich, dass das Funkeln der Pupille von einem kleinen roten Rubin ausging. Er wusste, dass dieses Glasauge – ein erster Erwerb von seinem neuen Reichtum – reiner Luxus war, aber was hatte seine ganze harte Arbeit für einen Zweck, wenn er sich nicht ein wenig verwöhnen konnte? Und dieses Auge sollte nur der Anfang sein. Als Fernziel dachte er an eine ganze Sammlung, ein Auge für jeden Wochentag und zu jeder Ausstattung. Bis dahin würde er sich noch mit seinen neuen, handgenähten Augenklappen behelfen.
    »Einen schönen guten Abend, Sir«, sagte er zu dem Mann im Ganzkörperspiegel – er war es natürlich selbst – und verbeugte sich zuvorkommend. Dann richtete er sich auf und musterte kritisch sein Spiegelbild, während er den Samt über seinen Oberschenkeln glatt strich und seinen gerüschten Kragen zurechtzupfte. Er feilte weiter an seinem Auftreten und küsste die Luft an der Stelle, wo sich seiner Schätzung nach die behandschuhte Hand einer knicksenden Dame befinden könnte.
    Knicksen? Vor ihm? Oh ja. Man muss wissen, dass dieser Bursche, der hier vor dem Spiegel seine Rolle einstudierte, nicht mehr der

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