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Das Gift der Schmetterlinge (German Edition)

Das Gift der Schmetterlinge (German Edition)

Titel: Das Gift der Schmetterlinge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F.E. Higgins
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und gegangen, und alle hatten ihr gleich viel bedeutet, aber dieser Junge hier schien ihr anders. Seine dunklen Haare fielen ihm ins Gesicht und die Augen unter den feuchten Stirnfransen waren schwarz wie Kohlenstücke. Trotz seines nassen, verdreckten Äußeren stand er aufrecht da und sah mit selbstbewusster Neugier um sich. Er war nicht dick, doch sichtlich gut genährt; und er war groß, fast so groß wie sie selbst, trotz des Altersunterschieds, den sie auf fünf, sechs Jahre schätzte. Mit geübtem Blick stellte sie fest, dass seine Ärmelaufschläge bis ans Handgelenk reichten (kein Kind in diesem Haus besaß ein noch passendes Hemd), dass sein Umhang von guter Qualität war und dass seine Schuhe – trotz der Schmutzflecken – vor Kurzem poliert worden waren. Dieser Hector musste bis jetzt ein geordnetes Leben geführt haben. Selbst wenn er es darauf angelegt hätte, stärker hätte er sich nicht von den anderen Jungen im Heim unterscheiden können.
    »Willkommen bei Lottie Fitch«, sagte Polly freundlich. »Magst du etwas essen?«
    »Ja, bitte«, erwiderte Hector und merkte auf einmal, dass er trotz seiner tiefen Trauer schrecklich hungrig war. Seit dem plötzlichen Tod seines Vaters hatte er kaum etwas zu sich genommen.
    Polly brachte einen Teller mit Brot und Schinken, dazu einen großen Krug Milch, und stellte beides vor ihn hin. Während er aß, schnitt sie ihr Gemüse weiter, versorgte nebenbei das Feuer und beobachtete ihn verstohlen. »Du bist nicht von der Südseite?«, sagte sie schließlich. Es war mehr eine Feststellung als eine Frage.
    Hector schüttelte den Kopf. »Nein. Und du hörst dich an, als kämst du überhaupt von außerhalb der Stadt.«
    Polly nickte. »Ich komme aus einem Dorf aus den Moira-Bergen, es heißt Pagus Parvus. In Urbs Umida wollte ich mir Arbeit suchen, aber es war nicht so leicht, wie ich gedacht hatte. Zum Glück bin ich Mrs Fitch über den Weg gelaufen.«
    Damit sind wir zu zweit, dachte Hector, während er sein Brot aufaß. »Hast du eine Serviette?«, fragte er.
    Polly lachte. »Nimm deinen Ärmel. So machen wir’s auch. Das spart Wäsche.« Mit der Messerklinge streifte sie alles Gemüse in einen Topf und wischte sich dann die Hände an der Schürze ab. »Komm, wir schauen mal nach einem Bett für dich«, sagte sie. »Du siehst müde aus.«
    Polly nahm zwei Kerzen, eine für sich, eine für Hector, und führte ihn die Treppe hinauf. Es war dunkel und in Pollys Schatten ließ sich kaum etwas erkennen.
    »Keine Gaslampen?«, fragte er.
    Polly schüttelte den Kopf. »Du wirst merken, dass hier manches anders ist«, sagte sie, als sie auf dem Treppenabsatz waren. »Und mach dir nichts aus den Geräuschen von dort oben.« Sie blickte zum Dachboden hin. »Das ist nur Ned.«
    »Der ›arme Ned da oben‹?«
    »Ja, Mrs Fitchs Ehemann. Er liegt im Bodenzimmer. Vor ein paar Jahren, mitten im Winter, ist er in den Foedus gefallen. Sie haben ihn rausgezogen, aber er hat sich nie ganz davon erholt. Das Flusswasser hat ihn vergiftet und jetzt liegt er Tag und Nacht im Bett. Mrs Fitch sagt, das ist seine Strafe für die Sünden, die sie beide begangen haben.«
    »Welche Sünden?«
    Polly zog die Schultern hoch. »Ich glaube, es hat mit ihrem Sohn Ludlow zu tun. Seit Jahren hat ihn keiner gesehen. Und das Komische ist, er hat eine Weile in Pagus Parvus gewohnt, damals, als ich dort war. Ich vermute, dass die Fitchs ihn schlecht behandelt haben, aber er hat mir nie erzählt, warum er aus Urbs Umida weggegangen ist. Jetzt hat Mrs Fitch immerzu Visionen, die ihr eingeben, dass sie Kinder retten muss. Fast jeden Tag. Botschaften von oben, sagt sie, und von denen lässt sie sich leiten.«
    Polly schob den Riegel einer niedrigen Tür zurück. Die Tür war gerade mal so groß wie Hector. Sie wird sich beim Eintreten bücken müssen, dachte er.
    »Die anderen Zimmer sind im Moment besetzt«, sagte Polly fast entschuldigend. »Auf ein Bett kommen drei Kinder. Fürs Erste wirst du dich hier wohler fühlen.«
    Hector trat in das dunkle Zimmer und streckte die Kerze weit von sich. Im Licht der Flamme sah er, dass der Raum kaum mehr als eine Nische unter der Treppe war.
    Ehe er sich zurückhalten konnte, rief er: »Beim Jupiter!« (Ein beliebter klassischer Ausruf seines Hauslehrers.) »Ist das winzig!«
    Polly zog verständnisvoll die Augenbrauen hoch. »Aber warm.«
    Hector versuchte ein Lächeln. Egal, wie groß oder wie klein, es war mit Sicherheit besser als zu dritt in einem Bett.

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