Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Gift der Schmetterlinge (German Edition)

Das Gift der Schmetterlinge (German Edition)

Titel: Das Gift der Schmetterlinge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F.E. Higgins
Vom Netzwerk:
Stunden erreichen würden. Um mir die Zeit zu vertreiben und um mich von trüberen Gedanken abzulenken, kramte ich
Mythen und Folklore
aus meiner Tasche. Ich hatte schon oft von dem legendären Waldschwein mit dem Borstenrücken gehört und wollte gern mehr darüber erfahren. Ich las, dass dieses Schwein von einer recht interessanten Nahrung lebte, was ich mir mit Blick auf meinen Racheplan merken wollte. Die Vorstellung, dass mein Plan allmählich Formen annahm, versetzte mich geradezu in Aufregung. In diesem Augenblick allerdings unterbrach ein gewaltiger Donnerschlag meine Lektüre und unter der Wucht der zusammenprallenden Wolkenmassen erbebte der Boden. Ich war so vertieft in mein Buch und meinen Plan gewesen, dass ich von dem zurückkehrenden Sturm gar nichts bemerkt hatte. Gleißende Blitze erhellten den Himmel. Als mit jedem Windstoß die Kutsche wild in der Federung schaukelte, wurde die Qualität der Reparaturarbeiten auf eine harte Probe gestellt. Ebenso der Mut der Pferde. Ich musste mich krampfhaft bemühen, nicht durch die Tür hinausgeschleudert zu werden.
    Als ich einmal einen Blick aus dem Fenster wagte, sah ich, dass wir nur wenige Zentimeter an einem steil abfallenden Berghang entlangfuhren. In den kurzen Pausen zwischen Donner und Blitz hörte ich Solomon abwechselnd mit der Peitsche knallen und auf die Pferde fluchen. Ich wickelte mich fester in meinen Umhang, kauerte mich auf meinem Sitz zusammen und betete inbrünstig, dass wir sicher in Withypitts Hall ankommen würden. Gerade als ich dachte, dass mich die Angst inzwischen so dicht an den Rand des Todes gebracht hatte, wie es in lebendigem Zustand überhaupt nur möglich sein kann, kam die Kutsche schwankend zum Stehen.
    Solomons Gesicht erschien in der Dachluke. Es war nass, die Wangen waren gerötet. »Weiter komm ich nicht«, schrie er über das Heulen des Sturmes hinweg. »Du musst das letzte Stück zu Fuß gehen.«
    Ich zog mir die Mütze so fest auf den Kopf, dass sie über den Ohren spannte. Das Bücherpäckchen unter dem Arm und meine Tasche über der Schulter, öffnete ich die Tür. Als es mir mit großer Mühe gelungen war, sie gegen den Wind aufzustemmen, sprang ich hinaus und versank augenblicklich bis über die Knöchel in kaltem, zähem Morast. Ich spürte das eisige Wasser durch die Nähte meiner Schuhe dringen. Fluchend und frierend arbeitete ich mich auf festeren Boden vor und nahm den vor mir liegenden Weg in Augenschein.
    Zuerst sah ich überhaupt nichts. Der Mond war hinter den aufgeblähten Wolken verschwunden und im prasselnden Regen ließ sich kaum etwas erkennen. Als in diesem Moment ein Blitz den tintenschwarzen Himmel zerriss, blieb mir fast das Herz stehen. In seinem weißen Licht sahen meine ungläubigen Augen eine weitläufige gezackte Silhouette auf einer massigen Felsnase – es sah aus wie eine Versammlung dicht zusammenhockender Teufel. Ihre Hörner waren die Türme und die Lichter in den Fenstern ihre bösartigen roten Augen.
    »Tartari flammis!«
Ich atmete tief ein und brachte kein Wort hervor. Das Monstrum vor mir war Withypitts Hall!
    »Das ist Wahnsinn!«, schrie Solomon. »Fahr mit mir zurück! Noch ist es nicht zu spät.«
    Ich wollte antworten, aber der Sturm drückte mir die Worte ins Gesicht zurück, und so schüttelte ich nur den Kopf. Solomon zog in hilfloser Fassungslosigkeit die Schultern hoch. Er klopfte mir auf die Schulter, wünschte mir Glück und schwang sich wieder auf den Kutschbock. Noch einmal starrte ich auf das Gebäude, das sich so drohend vor mir abzeichnete, und als ich mich umdrehte, hatte die Kutsche bereits gewendet und fuhr rasch bergab. Nun blieb mir nichts übrig, als weiterzugehen.
    Ich kam nur mühsam voran, stolpernd, rutschend, schlitternd, und innerhalb von Minuten war ich nass bis auf die Haut. Auf diese Weise muss ich wohl eine halbe Stunde gegen den Sturm angekämpft haben, ehe ich endlich die riesigen Eisentore vor dem breiten, mit Kies bestreuten Zufahrtsweg zum Haupteingang erreichte. Die ab und zu aufflackernden Blitze ließen mich jeweils nur wenige Sekunden lang etwas erkennen, sodass ich den vollen Umfang des Gebäudes nur in Intervallen sehen konnte: die sechs großen Türme, die hohen, schmalen bleiverglasten Fenster mit ihren gewölbten Aufsätzen und den schlanken, spitzen Türmchen, auf denen grinsende Teufel saßen, und dann die Dachkante, die von fratzenhaften Wasserspeiern gestützt wurde.
    Ich war inzwischen kurz vorm Umfallen und stolperte erschöpft

Weitere Kostenlose Bücher