Das Gift des Sommers: Thriller (German Edition)
zischt er. Speichel fliegt über den Tisch und trifft meine Wange. Nie ist er mir so viel größer als ich vorgekommen. » Mir war nicht klar, dass mich zu Hause schon wieder ein beschissener Schließer erwartet.« Er wirft seinen Teller wie ein Frisbee durch die Küche. Ich mache mich auf das Klirren von Porzellan auf den Fliesen gefasst, aber der Teller prallt vom Mülleimer ab und landet weich in einem Korb Wäsche neben der Hintertür. Die Kücheneinrichtung, meine Kleider und sein Gesicht– alles ist voll Lasagne, als hätte jemand einen Mixer ohne Deckel eingeschaltet.
Ich habe schon Angst um Rex gehabt, aber vor ihm bis jetzt noch nie.
» Wenn du es wissen musst, ich bin in den Pub gegangen«, sagt er. » Da hab ich gesessen und mich von einem Haufen Zigeuner niederstarren lassen, ich hab mich besoffen und darüber nachgedacht, dass ich am Arsch bin und keinen Job kriege, um für euch beide zu sorgen, und ich hab daran gedacht, wie sehr ich mich darauf gefreut habe, zu dir nach Hause zu kommen«, sagt er. » Ich wünschte, ich hätte es gelassen. Wann bist du ein solcher Kontrollfreak geworden?«
» Fuck you.« Ich laufe hinauf ins Bad und schließe die Tür ab, setze mich auf den Klodeckel und warte darauf, dass er heraufkommt und sich entschuldigt. Als er es nicht tut, trödle ich mit meiner abendlichen Routine herum, schminke mich ab, putze mir die Zähne und bearbeite sie mit Zahnseide, bis ich das Gefühl habe, dass wir beide genug Zeit hatten, um uns wieder abzuregen. Trotzdem ist sein Benehmen durch nichts zu rechtfertigen. Ich gehe hinunter und will ihm sagen, er soll heute Nacht unten schlafen, aber er ist schon besinnungslos. Seine Füße hängen über die Armlehne des Sofas, und sein schlaffer Mund ist offen. Als er um fünf Uhr morgens ins Bett gerutscht kommt, hat er eine kalte Gänsehaut.
» Es tut mir leid«, sagt er. » Ich hab die Küche sauber gemacht.«
» Du hast mir Angst eingejagt.«
» Es tut mir so leid. Ich bin ausgerastet. Das alles ist mir ein bisschen über den Kopf gestiegen. Es soll nicht mehr vorkommen.«
Mich ebenfalls zu entschuldigen, bringe ich nicht über mich, obwohl ich weiß, dass er recht hat. Ich bin ein Kontrollfreak. Das habe ich ja sein müssen. Wenn ich als Einzige übrig war, die die Zügel dieser Familie in den Händen hielt, ist es dann ein Wunder, dass ich sie so fest halte?
Als Guy zurückkam, behielt er im Haus die Sonnenbrille auf und trug einen Laptop unter dem Arm mit sich herum. Er sah nicht aus wie die flachen Notebooks, die wir heute haben, wie auch sein Mobiltelefon nicht aussah wie die schnittige Muschel, die ich jetzt in der Handtasche habe. Computer waren mir damals schon vertraut, aber seiner war ganz anders als die soliden, fest installierten Desktoprechner, an denen ich im Computerlabor auf dem Campus arbeitete. Guys Laptop sah aus wie ein Baby, dessen Organe sich allesamt außerhalb seines Körpers befanden. Drähte sprossen aus Anschlüssen überall auf dem klobigen kleinen Klotz. Ein dickes schwarzes Kabel führte zu einer Festplatte, ein anderes zu einem Transformator und weiter zu einem Netzstecker, und das Riesending, das aussah wie die Fußpumpe für eine Luftmatratze, war ein Modem. Guy erläuterte das alles, als er es auf dem Sekretär im Samtzimmer aufbaute, dessen Arbeitsplatte mit rotem Leder bezogen und schräg geneigt war wie das Zeichenbrett eines Architekten. Wir alle schauten die Sache erwartungsvoll an.
» Anscheinend ist das ein Geschenk für mich«, sagte Biba.
» Wahrscheinlich nimmst du Hehlerware in Empfang«, sagte Rex spitz. Guy stritt es nicht ab, sondern lächelte in das Nest von Drähten, das er entwirrte.
» Okay«, sagte er schließlich. » Wo ist euer Telefonanschluss?«
» Wie bitte?«, fragte Rex.
» Euer Telefonanschluss. Die andere Telefonbuchse. Du willst mir doch nicht erzählen, ihr habt in einem Haus dieser Größe nur dieses eine popelige kleine Telefon unten in der Küche.«
» Ich fürchte doch«, sagte Rex.
» Nein«, sagte Guy. » Dieses Haus ist durchzogen von Kabeln. Ich hab sie gesehen. Da muss irgendwo noch ein Anschluss sein.« Er fing am Küchentelefon mit seiner Suche an und verfolgte mit stumpfen Fingerspitzen die Leitungen, die sich über die Wände schlängelten. Ich stand in der Tür zum Samtzimmer und sah ihm zu. Manche Kabel waren zwischen Wand und Decke an die Oberfläche getackert, manchmal tief unter Schichten von Tapeten und Farbe vergraben. Sie führten ihn an
Weitere Kostenlose Bücher