Das Gift des Sommers: Thriller (German Edition)
willst du sagen?«, scherze ich. Er streckt die Hand aus wie ein Gentleman, der eine Lady zum Tanz auffordert. Ich nehme sie, und er zieht mich zu sich heran und küsst mich.
» Für mich wirst du immer einundzwanzig sein«, sagte er.
Dawn öffnet die Tür in einem roten Kleid. Ihr Make-up ist eine Maske, die vom Haaransatz bis zum Busen reicht. In der Falte zwischen ihren Brüsten klebt noch irgendein Flitterzeug. Sie wirft einen Blick auf meine Bleistiftabsätze, nimmt zwei kleine Plastikhülsen von einer Konsole gleich neben der Tür und drückt sie mir in die Hand.
» Das sind Schutzhüllen für Ihre Absätze«, sagt sie. » Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen, sie überzuziehen. Aber Marmorfußböden sind so schrecklich teuer.« Ich bücke mich, schiebe die kleinen Hülsen an ihren Platz und klappere probehalber über den glatten Boden, um zu hören, wie es klingt. » Ich bin so froh, dass Sie gekommen sind«, sagt sie und küsst die Luft neben unseren Köpfen. Dann wendet sie sich an Alice. » Du lieber Gott, du siehst deinem Daddy aber ähnlich, was?«
» Ja«, sagt Alice schroff, dann läuft sie die Treppe hinauf und verschwindet ohne einen Kuss oder wenigstens einen Abschiedsblick in Sophies Zimmer. Das Haus ist so groß und die Türen sind so massiv, dass man die Musik und das Quieken der Mädchen hier unten nicht hören kann.
» Kommen Sie herein, kommen Sie«, sagt Dawn. Ich sehe, dass Rex wider Willen von dem Haus fasziniert ist. Auch wenn die Inneneinrichtung mit Wolkenstores, Marmorböden und Ledersesseln nicht jedermanns Geschmack sein mag, ist es doch schwer, von den Ausmaßen der Zimmer und dem vielen Geld, das für jedes ausgegeben worden ist, nicht beeindruckt zu sein. Ich hoffe nur, dass er nicht nach unten schaut. Die Bodenfliesen sind die gleichen wie in der schwarz-weißen Halle in seinem alten Haus in Highgate, auch wenn sie hier natürlich glatt und blank sind und keine einzige verschoben oder kaputt ist.
Dawn persönlich serviert Canapés auf einem Silbertablett. In dem Zimmer, das sie als Salon bezeichnet, stehen zwei andere Paare, die ich vom Schultor her kenne. Sie sind ebenfalls so formell gekleidet, dass es knistert, halten Weingläser in der einen Hand und balancieren kleine Türmchen aus Blinis und eingebackenen Würstchen auf der anderen. Es ist fast unmöglich, irgendeinen Platz zu finden, wo man die Deckchen und Servietten ablegen kann, die Dawn verteilt hat. Überall im Raum stehen Beistell- und Couchtische, alle aus dem gleichen grünen geschliffenen Glas, aber sie sind lückenlos bedeckt mit Kunstbüchern, die zu kleinen Pyramiden geordnet sind. Vielleicht steckt Absicht dahinter, denn Dawns Ehemann Andrew ist eifrig daran interessiert, dass wir uns immer wieder nachschenken lassen. Er erklärt sich zum Sommelier– was er wie Kavalier ausspricht– und fragt uns, ob wir Rot- oder lieber Weißwein trinken möchten. Er hat sich sogar eine weiße Serviette über den Unterarm drapiert.
Wir alle betreiben Small Talk, während Dawn in der Küche verschwindet. Nach ein paar Minuten kommt sie zurück; sie trägt eine Schürze, die verdächtig sauber ist, abgesehen von einem einzelnen auffallenden, beerenroten Handabdruck, dessen Farbe aussieht wie Blut.
» Andrew«, sagt sie, und ihr Mann macht auf dieses eine Befehlswort hin einen Satz.
» Das Essen ist serviert«, sagt er und reißt die Flügeltür zum Esszimmer auf. » Bitte nehmen Sie Platz.«
Der lange Tisch ist durch drei frische Blumenarrangements unterteilt, und Platzkärtchen diktieren, wo wir zu sitzen haben. Rex sitzt mir schräg gegenüber unter der Reproduktion eines großen Jack-Vettriano-Gemäldes, einem Druck von der Art, die mit einem Firnis überstrichen ist, bei dem Pinselstriche den Eindruck der Echtheit erwecken. Ich betrachte das Bild genauer. Tatsächlich könnte es, wie ich Dawn kenne, auch ein Original sein. Hohe Flammen lecken in dem Kamin hinter Rex hinauf, obwohl die Zentralheizung läuft und der Abend auch nicht kalt ist. Seine Wangen bleiben blass, aber die armen Frauen, die rechts und links neben ihm sitzen, schwitzen in Satin und Nylon, und ihre Gesichter sind schon jetzt eine Katastrophe aus verlaufenem Make-up und rot glühenden Wangen.
Rex sieht unter den anwesenden Männern mit Abstand am besten aus. Er ist nur zwei oder drei Jahre jünger als die meisten Väter von Alices Schulfreundinnen, aber während sie schon dabei sind, in die mittleren Jahre hineinzuschlittern, fängt er gerade
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