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Das Gift des Sommers: Thriller (German Edition)

Das Gift des Sommers: Thriller (German Edition)

Titel: Das Gift des Sommers: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erin Kelly
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er kein klingelndes Telefon, sondern eine kleine schwarze Pistole herausholte.
    Wir hatten uns über Guys Herkunft lustig gemacht und ihn aufgezogen, er sei ja nicht fähig, eine Waffe in die Hände zu bekommen. In seinem verzweifelten Bestreben, uns das Gegenteil zu beweisen und Eindruck auf Biba zu machen, hatte er sich unserer unbedachten Herausforderung gestellt.
    In einer extremen Situation kommt man auf ungewöhnliche Gedanken. So viel war innerhalb weniger Minuten passiert, und so viel drohte in den nächsten Augenblicken zu passieren. Aber ich fragte mich nicht, wo wir wohnen oder ob wir sterben würden oder woher Guy die Waffe hatte oder sonst irgendetwas, das mit den unmittelbaren, schrecklichen Umständen zu tun hatte. Mein oberster Gedanke war: Warum nennt man diese dunkle, stumpfe Grauschattierung » büchsengrau«? Die Waffe, die Rex in der Hand hielt, war überhaupt nicht grau. Sie war geformt wie ein kräftiges L und hatte den gleichen schwarzen Satinglanz wie eine Kakerlake.
    Rex streckte und krümmte einzeln die Finger und ordnete sie so um die Waffe, dass er sie halbwegs korrekt umfasste. Er hob sie ins Licht und senkte sie dann langsam, bis der Lauf auf einer Höhe mit Guys Stirn war. Seine Hand war ganz ruhig. Der einzige Tick, der verriet, wie aufgewühlt er war, bestand in dem schnellen Hüpfen seines Adamsapfels, als er zweimal kurz hintereinander heftig schluckte.
    » Warum sollte ich nicht?«, fragte er und zog eine Braue hoch.
    Guy und Biba sahen beide aus, als wollten sie gleich anfangen zu weinen. Sie waren die selbst ernannten Risikofreunde, während Rex immer sicherheitsbewusst bis zur Langweiligkeit war. Jetzt, da eine reale Bedrohung in seiner Hand lag, verloren die Hedonisten die Beherrschung, während er seine Ruhe bewahrte. Ich ermahnte mich, nicht in Panik zu geraten; Rex wisse ja gar nicht, wie man mit einer Pistole umging, aber überzeugt war ich nicht. Ich wusste nichts über Schusswaffen und wie sie funktionierten. Ich wusste nicht, ob es nötig war zu lernen, wie man eine Pistole abfeuerte, oder ob eine Ausbildung nur nötig war, wenn man treffsicher schießen wollte. Ich wusste auch nicht, ob Guy schießen konnte. Er benahm sich jedenfalls nicht wie jemand, der einen entspannten oder vertrauten Umgang mit Waffen gewohnt war. Er hatte das Ding mit ins Haus gebracht, aber er hatte genauso viel Angst wie wir anderen. Rex bewegte seinen Daumen ein kleines Stück weit, und ein Klicken hallte durch den Eingangsflur. Hatte er die Waffe jetzt entsichert oder die Sicherung wieder aktiviert? Wusste er es überhaupt selbst?
    Als ich anfing zu reden, hatte ich noch keine Ahnung, was ich sagen wollte.
    » Es ist okay«, sagte ich. Unversehens fand ich mich zwischen Rex und seiner weinenden Zielscheibe, ohne zu wissen, wie ich dort hingekommen war. Ich fing an zu plappern und hatte meinen Wortschwall selbst nicht mehr unter Kontrolle. » Das ist nur eine Attrappe, oder, Guy? Du hast sie besorgt, um uns einen Schreck einzujagen. Super. Hat geklappt. Spaß vorbei.« Sicher war ich nur in einem Punkt: Rex würde mich nicht verletzen. Ich stand vor ihm und hielt ihm meine Hände entgegen wie ein geöffnetes Buch, und nur ein leiser, resignierter Seufzer verriet, dass er nachgab. Die Pistole, die er in meine Hände legte, fühlte sich nicht an wie ein Spielzeug. Sie fühlte sich schwer und machtvoll, klamm und furchtbar an. Ich hielt sie mit der Rechten locker am Griff und ließ den Lauf zu Boden gerichtet baumeln. Ich hatte große Angst, ich könnte einen Abzug oder einen Riegel berühren und damit einen Schuss auslösen. Ich zog mich aus der Lücke zwischen Rex und Guy zurück und versteckte den Arm hinter meinem Rücken, damit keiner von beiden herankommen konnte. Es kam nur darauf an, die Pistole von ihnen fernzuhalten.
    Als ich vier oder fünf Schritte rückwärts getan hatte, machte Guy einen Satz quer durch die Halle, wie ein Tier, das sich aus einer Falle befreit hatte. Er schien zwei- oder dreimal so groß zu sein wie Rex, als er vor ihm stand und ihm die Faust in den Magen rammte. Rex knickte auf seine Knie herunter wie eine zuklappende Schere. Als er hochblickte, sah er Guys Faust auf seinen Kiefer zukommen. Das Aufreißen der Haut war beinahe hörbar, als die Lippen, die ich den Sommer über geküsst hatte, platzten. Blut floss von seinem Mund auf sein Hemd und tropfte auf die Fliesen. Aufhören, schrie ich, aufhören, aufhören, aufhören, immer wieder, aber meine Worte verhallten

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