Das Gift des Sommers: Thriller (German Edition)
ungehört. Mit Worten allein konnte ich diesen Kampf nicht beenden, und ich wagte nicht, die Pistole wegzulegen, denn ich hatte Angst, Guy könnte sie dann an sich reißen. Rechts neben mir presste Biba die Hände auf den Leib, als sei sie ebenfalls geschlagen worden.
» Biba!«, schrie ich. » Tu was!« Ich deutete auf Rex und Guy und dann auf die Pistole in meiner Hand, um ihr zu zeigen, dass ich selbst nicht eingreifen konnte. Ich hielt die Waffe so locker umfasst, dass sie sie mir mühelos abnehmen konnte. Meine Hand griff ein paarmal ins Leere, aber sie hielt die Pistole mit beiden Fäusten umklammert. Das Klicken des Sicherungshebels war so laut, dass Guy es hörte. Er schleuderte Rex zu Boden und stürzte zur Treppe. Als sie seinen Namen rief, war es kein Schrei mehr, sondern ein Zischen.
» Guy!«
Er wollte sich zu ihr umdrehen, als sie abdrückte. Die Kugel traf ihn in der Schulter und ließ ihn rückwärtsfliegen. So schnell hatte er sich noch nie bewegt, dachte ich. Sein Kopf prallte auf die unterste Stufe. Ich hörte ein widerliches Knacken. Vermutlich war es sein Genick, das brach. Als er zur Ruhe kam, lehnte sein Kopf in einem unnatürlichen Neunzig-Grad-Winkel zum Körper an der Treppenstufe. Seine Augen schauten hinaus in den Eingangsflur, und ihr Ausdruck war nicht vorwurfsvoll, sondern absolut überrascht.
Der Knall hatte sich angefühlt wie ein Faustschlag gegen beide Seiten meines Kopfes. Ich drückte die Hände an meine klingelnden Ohren und lenkte meine Aufmerksamkeit von Guys Leiche weg und zu Biba. Sie war zurückgetaumelt, nachdem sie geschossen hatte. Ihre Hände am Pistolengriff hatten sich nur wenig gelockert, und sie starrte die Waffe an, als habe sie von allein den Weg in ihre Hände gefunden und geschossen. Rex’ Mund sah aus, als sei er über das ganze Gesicht verschmiert worden, und Zähne und Zahnfleisch waren rot gefärbt. Er hatte sich auf alle viere aufgerichtet, dann hochgerappelt und stand jetzt mit dem Rücken zu Guy. Biba und ich folgten seinem Blick dahin, wo Tom Wheeler stand.
Sein Körper zuckte krampfhaft in einem lautlosen, trockenen Würgeanfall, und er presste beide Hände an den Mund. Seine Lider flatterten hinter der randlosen Brille. Offenbar war er gekommen, um sich über den Lärm zu beschweren, aber nicht einmal unser Erzkritiker hätte ahnen können, was für ein Anblick sich hier bot. Er schüttelte den Kopf, einmal, zweimal, und machte dann auf dem Absatz kehrt. Aber er rannte nicht schnell genug. Die erste Kugel fuhr in den Berg von Flaschen und ließ smaragdene Scherben durch die Luft fliegen, aber die zweite traf W heeler in den Kragen und drang da in seinen Körper, wo das Genick ins Rückgrat überging. Er fiel vornüber und landete mit dem Gesicht nach unten auf dem rauen, schmutzigen Gewebe der Türmatte. Sein Körpergewicht drückte die Tür zu. Beunruhigend schnell floss das Blut aus der Wunde und färbte sein pinkfarbenes Polohemd in einem Dunkelrosa, das sich in sattes Burgunderrot verwandelte, als es sich weiter ausbreitete. Es sah aus wie ein Zeitrafferfilm einer aufblühenden Blüte. Die Pistole entglitt Bibas Hand und fiel klappernd zu Boden. Draußen auf der Straße fing eine Frauenstimme an zu heulen. Das Klingeln in meinen Ohren verzerrte den Klang dieser Stimme; sie schwoll an und wieder ab. Biba sank zu Boden, saß mit gekreuzten Beinen da und starrte auf ihre Hände. In meinen Eingeweiden schwappte Eiswasser, und einen Augenblick lang war mir, als verlöre ich die Kontrolle über meinen Schließmuskel. Ich legte die Hände flach auf den Leib und starrte die Wand hinter ihr an. Ich wagte nicht hochzublicken, nach unten zu blicken, mich umzuschauen. Am liebsten hätte ich mich zu den anderen auf den Boden geworfen, bäuchlings und mit geschlossenen Augen, bis irgendetwas passierte, das diese ganze entsetzliche Szene verschwinden ließ.
Rex ließ winzige Blutperlen auf den schwarz-weißen Boden tropfen, als er zu der Pistole ging, die zwischen Guys gekrümmter und Wheelers ausgestreckter Leiche lag. Er bückte sich und hob sie auf, mit spitzen Fingern diesmal, und er achtete darauf, dass sie nach unten gerichtet blieb. Er wischte sie an seiner Hose sauber ab und polierte sie dann mit dem Saum seines Hemds. Seine Unterlippe klemmte unter der Oberlippe, und als er sie losließ, um zu sprechen, zuckte er zusammen.
» Ich erledige das.« Trotz seines starken Lispelns gelang es ihm, zuversichtlich zu klingen. Einen Moment lang erfasste mich
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