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Das Gift des Sommers: Thriller (German Edition)

Das Gift des Sommers: Thriller (German Edition)

Titel: Das Gift des Sommers: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erin Kelly
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Jogginganzug und mit einem kleinen Bündel auf dem Arm. Schlichte weiße Plastiktüten stapelten sich vor ihren Füßen; sie klemmte sich das Baby unter den Arm und warf die Taschen auf den Rücksitz. Eine riss auf, und geheimnisvolle Knäuel und Mullsachen quollen heraus. Das Baby auf ihrem Schoß schlief, aber es sah nicht entspannt aus. Das Gesicht war eine rote Kugel, stark gerunzelt.
    » Ich hab da angerufen«, sagte ich. » Sie haben behauptet, du wärst nicht da.«
    » Sie haben meine Tasche durchsucht«, sagte sie, als ob damit alles erklärt wäre. Ich zog eine Braue hoch. » Ich hatte dein Portemonnaie mitgenommen. Ich brauchte ja Geld für das Taxi. Und dein Führerschein war drin. Ich hatte alles in der Hand, als sie mich hineinfuhren. Sie haben angenommen, ich sei Karen Clarke, und ich hab’s einfach… dabei gelassen.«
    » Du hättest ihnen sagen können, sie sollen mich anrufen. Ich wäre bei dir gewesen.«
    » Schätzchen, ich konnte mich nicht mal an meinen eigenen Namen erinnern, als ich da drin war, geschweige denn an meine Telefonnummer. Fuck, das tut wirklich weh. Du hast keine Ahnung.«
    Eine winzige Faust kam aus dem weißen Bündel und öffnete und schloss sich wie eine Seeanemone unter Wasser.
    » Was ist es denn?«, fragte ich.
    » Ein Mädchen«, sagte Biba. Ich schrieb ihren gleichmütigen Tonfall der Erschöpfung zu. » Aber sie wird nicht aus meiner Titte trinken. Ich bin so schon fertig genug. Wusstest du, dass man nach einer Geburt noch bis zu sechs Wochen Blutungen hat? Als hätte ich nicht schon genug Erniedrigungen hinter mir. Vermutlich ist es die Rache der Natur dafür, dass man neun Monate lang keine Periode hatte.«
    Zwei der weißen Plastiktüten enthielten Windeln, Kleidung, Fläschchen und Kartons mit Babynahrung. Die andere war vollgestopft mit den rätselhaften Mullbinden und Kompressen.
    » Das haben sie mir in der Klinik geschenkt«, sagte Biba. » Die Babyklamotten sind abgelegte Sachen von anderen Kindern, und das andere Zeug kriegt man, wenn man selbst nichts hat.«
    Das Baby hatte wenig außer der kargen Aussteuer, die ich gekauft hatte: kein Kinderzimmer, keine Spielsachen, nicht mal einen Kinderwagen, nur ein Tragetuch aus Hanf, das Arouna ihr schon vor der Geburt geschenkt hatte.
    » Wie lange reicht das alles? Und wozu ist es?« Ich wusste nicht, ob die große Baumwollkompresse eine Binde für Biba oder eine Windel für das Baby war. Biba zuckte die Achseln.
    » Da ist irgendwo eine Broschüre drin.«
    Als Biba und das Baby auf dem Futon schliefen, las ich die Broschüre. Ich machte ein Fläschchen Babynahrung zurecht und prüfte die Temperatur mit der Innenseite meines Unterarms, wie es in den Anweisungen stand. Ich hatte keine Ahnung, ob die Temperatur richtig war oder nicht, aber als das Baby aufwachte, stand ein Fläschchen bereit. Der winzige Körper gab einen mächtigen Lärm von sich, und zur Strafe drehte der Nachbar seinen Fernseher lauter. Biba setzte sich im Bett auf und verzog schmerzlich das Gesicht. An ihrer linken Brustwarze war ein alter Fleck, und ein frischer sickerte aus der rechten. Am Fußende lag die blutige, zusammengeknüllte Jogginghose, und da, wo sie saß, war das Laken ebenfalls blutbefleckt.
    » Ist so viel Blut normal?«, fragte ich. Ein moschusartiger, metallischer Geruch weckte schmerzhafte Erinnerungen.
    » Ich und normal, das gehört schon lange nicht mehr zusammen.«
    Ich ging ins Bad und holte ein Handtuch. Als ich zurückkam, lag das Baby auf Bibas Schoß, spitzte die Lippen und strampelte mit Armen und Beinen, als wolle es auf die Brust seiner Mutter zuschwimmen.
    » Ist sie nicht clever?«, sagte ich. » Sie weiß genau, was sie tun muss.«
    » In der Hinsicht soll es sich mal keine Flausen in den Kopf setzen«, sagte Biba. Ich gab ihr die Flasche, und sie hielt sie umgekehrt über den Mund des Säuglings. Die Kleine wies den Gumminippel zweimal ab und schrie noch lauter.
    » Ich kann das nicht.« Biba warf die Flasche auf das Bett, und es sah aus, als wolle sie das Baby gleich hinterherwerfen. » Komm«, sagte ich. » Gib sie mir.« Ich legte das Baby in meine linke Armbeuge und hielt das Fläschchen behutsam vor den angestrengt arbeitenden Mund. Diesmal nahm sie es an und fing an zu saugen. » Wir sollten uns einen Namen überlegen«, sagte ich. » Wir können sie nicht immer nur ›sie‹ oder ›das Baby‹ nennen.« Das Kind öffnete kurz die Augen. Es waren nicht die schwarz-braunen Augen der Mutter und des Onkels,

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