Das Gift des Sommers: Thriller (German Edition)
wette, ich könnte es doch«, sagte sie. » Los, lass es mich versuchen.«
» Nein. Abgesehen von allem anderen bist du als Fahrerin nicht versichert.«
» Du hast Rex immer fahren lassen. Er war auch nicht versichert.«
» Ja, und das hätte ich nicht tun sollen. Hast du überhaupt einen Führerschein?«
» Gott, ich hatte ganz vergessen, wie analfixiert du sein kannst, wenn es um solchen Papierkram geht.« Biba grinste. » Komm, lass uns hier abhauen. Oh, es ist so herrlich, nicht mit dem Bus fahren zu müssen. Lass uns nie wieder in einen Bus steigen.«
Als wir aus der Garage fuhren, winkte der Mann uns zu. » Vergessen Sie nicht, wo ich bin, wenn Sie mal ’ne Leiche einlagern müssen«, rief er uns nach und brach dann vor Lachen zusammen.
» Ich meine, ich weiß, dass er keine Ahnung hat, was passiert ist«, sagte Biba. » Aber ich finde, er ist ziemlich unsensibel.«
Eins der ersten Dinge, die sie je zu mir gesagt hat, war: » Ich habe kein Geld.« Ihre beiden Schauspieljobs waren gut bezahlt worden, aber sie hatte davon nichts mehr übrig und war jetzt genauso arm wie damals, als ich sie kennengelernt hatte. Damals hatte ich sie gern unterstützt, jetzt tat ich es aus Notwendigkeit. Sie hatte nichts zum Anziehen für ihr Kind. Ich war es, die zu Boots und Mothercare ging und Windeln, Wolldecken und erste Strampelanzüge kaufte. Was von meinem Geld aus Bern noch übrig war, teilte ich mit ihr; ich bezahlte unsere Lebensmittel und übernahm das Aufladen der Plastikkarten, die man in Strom- und Gaszähler schieben musste. Die Sommerabende bei Kerzenschein in einem weitläufigen Haus in Highgate zu verbringen, war eine Sache, aber frierend in einer halbdunklen Wohnung in Kentish Town zu hocken, eine ganz andere. Oft wachte ich morgens auf und musste feststellen, dass wir über Nacht den letzten Strom aufgebraucht hatten, und wenn ich heiß duschen oder etwas Heißes trinken wollte, musste ich dann erst eine Meile weit zum nächsten Laden laufen, wo man die Karten aufladen konnte. An einem solchen Morgen verließ ich die Wohnung mit dem Schlüssel, einem Zwanziger und der Stromkarte in der Tasche. Weil ich nach Koffein schmachtete, kaufte ich in einem Café einen Becher Kaffee und trank ihn im Stehen. Eine Stunde später war ich wieder da, schob die Karte in die Uhr und sah zu, wie mehrere Elektrogeräte, unter anderem der Fernseher und sämtliche Lampen, gleichzeitig wieder zum Leben erwachten. Kein Wunder, dass uns so oft der Strom ausging. Ich schaltete alles ab und machte eine Tasse Tee, um sie Biba ans Bett zu bringen. Sie hatte noch geschlafen, als ich mich hinausgeschlichen hatte, aber jetzt war ihr Bett leer. Die Wohnung war nicht groß genug, um anzunehmen, dass sie noch irgendwo sein könnte, und es gab nur einen Grund, weshalb sie so schnell und allein weggehen konnte. In der Diele lag ein Branchenbuch herum. Mit zitternden Händen riss ich die Plastikverpackung herunter und suchte die Nummer des Royal Free Hospital heraus.
» Ich suche eine Biba Capel. Ich glaube, sie kriegt gerade ihr Kind«, sagte ich zu der Schwester auf der Entbindungsstation. Sie antwortete, in ihren Büchern sei niemand dieses Namens. » Was ist mit Bathsheba Capel? Sie steht vielleicht gar nicht in Ihren Büchern, weil sie als Notfall gekommen ist.« Die Schwester verband mich wieder mit der Zentrale, aber in der Notaufnahme konnte man mir auch nicht weiterhelfen. Ich arbeitete mich durch sämtliche Krankenhäuser in Nordlondon, vom Whittington in Highgate bis zum UCL und zu St. Thomas an der South Bank und dann sogar bis Barnet und Edgware in den Vororten. Niemand hatte eine Frau in den Wehen aufgenommen, die so hieß. Allmählich verstand ich, welcher Impuls Rex dazu gebracht hatte, auf und ab zu gehen. Ich aß Frosted Cornflakes, zum Frühstück, zu Mittag und zu Abend. Die zuckrige Plempe bildete einen harten Brei in meinem Magen, aber ich wollte die Wohnung nicht einmal für die fünf Minuten verlassen, die ich zum Einkaufen in dem Laden auf der anderen Straßenseite brauchen würde. Wenn ich zum Klo ging, ließ ich die Badezimmertür offen für den Fall, dass das Telefon klingelte, und als abends um elf die Erschöpfung einsetzte, schleppte ich die Bettdecke auf das Sofa, wo das Telefon neben meinem Kopf stand. Endlich, um sieben am nächsten Morgen, riss mich sein Trillern aus einem unruhigen Schlaf.
» Kommst du uns abholen?«, fragte sie. » Wir warten vor dem Royal Free.«
Und da stand sie in einem formlosen
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