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Das Gift des Sommers: Thriller (German Edition)

Das Gift des Sommers: Thriller (German Edition)

Titel: Das Gift des Sommers: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erin Kelly
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dann die Abbildung zehn Jahre alter Zeitungen mit diesen furchtbaren Fotos, die uns an die Opfer erinnern sollen. Ich weiß, ich bin albern. Schlimmere Menschen als Rex werden aus dem Gefängnis entlassen, ohne dass es in den Nachrichten vorkommt. Ich glaube nicht, dass ich im Fernsehen jemals jemanden vor einem Gefängnistor gesehen habe, außer in Spielfilmen. Aber das vergrößerte Foto, das den Bildschirm ausfüllt, zeigt nicht Rex. Das körnige Bild zeigt niemanden, den ich kenne, sondern ein dreijähriges kleines Mädchen, das seit zwei Tagen vermisst wird. Dies, das habe ich inzwischen begriffen, ist die Story, die alle anderen unter sich begraben wird. Der Sohn reicher Eltern, der vor zehn Jahren gemordet hat, kann mit einem vermissten Kind nicht konkurrieren. Er ist nicht » sexy« genug– nennt man das in den Medien nicht so? Ein groteskes Kürzel für die Art von Nachrichten, von denen die Leute nie genug bekommen. Der Ausdruck widert mich an, aber nicht so sehr, wie ich mich selbst anwidere. Ich bin außerstande, die entsetzliche Hoffnung zu unterdrücken, dass dieses Mädchen noch ein paar Tage verschwunden bleibt– gerade so lange, dass Rex’ Freilassung Schnee von gestern ist. Ist das nicht ein bösartiger Wunsch? Nachdem wir doch schon genug getan haben? Ich schalte um zu dem weißen Rauschen und den flimmernden Regenbogenfarben eines Musiksenders.
    Ich knipse das Licht aus, damit niemand draußen mich sehen kann, und schaue hinüber zu dem schmalen Brachlandstreifen aus Gras und Erde auf der anderen Seite, dem inoffiziellen Parkplatz für alle, die in dieser Häuserzeile wohnen. Halb bin ich darauf gefasst, einen Mann mit einer Kamera zu sehen, aber da ist nichts Außergewöhnliches außer einem ramponierten braunen Range Rover, den ich noch nie gesehen habe, und einem weißen Nissan Micra. Sind das Autos, wie Journalisten sie fahren würden? Während ich noch hinausspähe, kommt Dave, mein übernächster Nachbar, im Laufschritt aus dem Haus und steigt in den Range Rover, der nicht abgeschlossen war. Der Wagen muss neu sein– das heißt, neu für Dave. Er lässt den Motor zweimal aufheulen, bevor er losfährt. Aufspritzende Erde füllt den Radkasten und prasselt gegen den weißen Lack des kleineren Wagens. Die Schlusslichter des Range Rovers beleuchten eine Gestalt auf dem Fahrersitz des Micra– ob Mann oder Frau, kann ich nicht erkennen. Dave rast mit Gedröhn auf der Straße davon, und der kleine Wagen fährt schnell hinterher, vielleicht aus Angst, von mir gesehen zu werden. Ich ziehe den Vorhang zu und bin froh, dass niemand diesen kleinen paranoiden Auftritt beobachtet hat. Ich mache wieder Licht– diesmal schalte ich eine Stehlampe ein– und richte meine Aufmerksamkeit auf das Telefon.
    Dass er frei ist, muss ihnen bekannt sein. Ungefähr alle zwei Jahre ist ein Anruf gekommen. Manchmal von der Presse, manchmal vom Fernsehen. Immer waren es weibliche Journalisten, jung und wortgewandt auf eine selbstbewusste Blondinenart. Eine ganze Welle von Anrufen gab es um den fünften Jahrestag herum, und eine zweite, als Roger Capel seinen Orden bekam. Ich kann nicht verhindern, dass sie alte Storys über Rex immer wieder aufwärmen, aber bis jetzt ist es mir gelungen, Alice und mich aus den Nachrichten herauszuhalten.
    Normalerweise ist es kein Problem, die Reporterinnen mit einer Lüge abzuwimmeln. Ich sage ihnen, ich heiße genauso wie ein Mädchen, das die Capels kannte, ich bekomme jedes Jahr solche Anrufe, aber ich kann ihnen leider nicht helfen. Diese Idee kam mir beim Übersetzen eines Interviews mit einer spanischen Schauspielerin, die sagte, wenn ihre Fans sie bedrängten, behaupte sie immer, sie werde oft mit sich selbst verwechselt oder sie sei ein professionelles Double. Ich habe ihnen sogar Glück bei der Jagd nach ihrer Story gewünscht. Nur eine, eine Fernsehjournalistin namens Alison Larch, war hartnäckig genug, um mich zu Hause zu besuchen. Schon als ich hörte, wie sie anklopfte, wusste ich, dass es nichts Gutes bedeutete: fünfmal laut und schnell hintereinander, sodass ich den Tee verschüttete, den ich gerade vor mir hertrug. Mit der Blondinensache hatte ich recht gehabt, aber hinsichtlich meiner Ablenkungstechniken war ich naiv gewesen. Sie arbeite, sagte sie, an einem Film über Rich Kids, die aus der Bahn geraten waren.
    » Ich weiß, dass Sie sie kannten«, sagte sie. Woher sie das wusste, sagte sie nicht. » Ich werde diesen Film mit Ihnen oder ohne Sie machen. Also,

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