Das Gift des Sommers: Thriller (German Edition)
warum wollen Sie nicht von Anfang an dabei sein?« Ich nahm an, dass sie bluffte, und ließ es darauf ankommen. Tatsächlich hatten ihre Nachforschungen anscheinend keinen Erfolg, denn als ihre Dokumentation sechs Monate später gesendet wurde, wurden die Queenswood-Morde mit keinem Wort erwähnt. Danach überredete ich Rex, seinen Nachnamen in meinen zu ändern: Es ist schließlich auch Alices Nachname. Von Alison Larch habe ich ihm nichts erzählt. Ich frage mich, ob sie es ist, die immer anruft und dann auflegt. Die Journalistinnen, die in der Vergangenheit angerufen haben, waren immer geschäftsmäßig und übervertraulich, sie haben geschmeichelt oder gedroht, aber niemals geschwiegen. Vielleicht ist es eine neue Technik, die mich in die Knie zwingen soll. Sie ist beinahe erfolgreich. Wenn die Polizei nur halb so fleißig gewesen wäre wie Alison Larch, dann hätte unsere Geschichte ein ganz anderes Ende nehmen können.
Das Telefon trillert und bricht in meine Gedanken ein. Ich hebe es auf, und meine Finger tasten blindlings nach dem Einschaltknopf, bevor Alice oder Rex im Schlafzimmer den Hörer abnehmen können. Es ist meine Mutter; sie will wissen, wie es heute gelaufen ist und wann die Gelegenheit für einen Besuch günstig ist. Ich kann hören, dass sie beim Sprechen ihre Spülmaschine einräumt, und dann verklingt das Brummen der Maschine, als sie mit ihrem neuen digitalen Telefon ins Wohnzimmer geht und neben meinem Vater auf das Sofa sinkt. Als wir schließlich ein Datum vereinbart haben, ist es dunkel.
» Sie schläft«, sagt Rex und schiebt sich neben mir auf das Sofa. Er klappt die langen Beine zusammen, um nicht an den Couchtisch zu stoßen. Es ist erst sieben; das bedeutet, um zehn wird sie wieder auf sein, und dann bleibt sie bis Mitternacht wach, sodass morgen früh ein Wettkampf der Willenskräfte nötig sein wird, um sie aus dem Bett zu holen, und ich bin nicht sicher, dass ich die Kraft dazu haben werde.
» Ah«, sage ich. » Es ist noch lange nicht Schlafenszeit für sie. Wir hätten über ihren Tagesablauf sprechen sollen, bevor du nach Hause gekommen bist. Es ist wirklich wichtig, dass wir ihn nicht durcheinanderbringen. Wir sollten sie wieder wecken.«
» Sie hatte einen langen Tag.« Rex seufzt. » Sie wird schlafen.« Die Frustration sitzt wie ein Kloß in meiner Kehle, und ich möchte ihn anschreien, er soll kein dummes Zeug reden. Er hat nicht die leiseste Ahnung von Alices Schlafgewohnheiten. Sie ist neun, nicht sechs. Ich hole Luft und will ihm die Meinung sagen, aber dann fällt mir ein, dass er auch nicht mehr sechs ist. Er ist vierunddreißig. Er legt den Kopf in die Hände; sein Haar teilt sich, und man sieht die grauen Fäden, die um seine Ohren herum verborgen sind. Ich betrachte das Delta der Adern, die sich auf seinem Handrücken wölben. Auch sie sind neu. Zärtlichkeit und Schuldbewusstsein wollen mich verschlingen.
» Entschuldige. Es ist okay. Wir lassen sie«, sage ich. Nichts, was ich sonst sagen kann, wird dazu führen, dass es ihm besser geht, aber ich kann etwas tun. Ich breite die Arme aus, und er fällt hinein. Ein versiegter Quell des Verlangens sprudelt herauf und fließt über, plötzlich und unvermeidlich wie Tränen, und ich weiß nicht mehr genau, wer hier wen heilt.
SIEBEN
D ie Woche, die verging, bis ich sie wiedersah, war lang und heiß und bewegte sich so schleppend voran wie meine Schüler auf dem Weg zum Nachhilfeunterricht. Die Hitzewelle, die an Bibas Geburtstag in die Stadt gewalzt war, hatte sich für den Sommer niedergelassen. Die Sonne saugte den Fluss bei Brentford in den Himmel hinauf, und die Luft lastete heiß, feucht und schmutzig über der Stadt. Laufen konnte man überhaupt nur noch mitten im Park oder auf dem Laufband im klimatisierten Fitnessstudio im Tennisklub, aber da wollte ich nicht hin, weil ich Simon nicht über den Weg laufen wollte. Die Atmosphäre zu Hause war gedämpft und schwer; Claire, Emma und Sarah paukten für die bevorstehenden Abschlussprüfungen. Ich sah, wie sie über Wörterbüchern brüteten und versuchten, sich Wörter einzuprägen, die sie noch nicht kannten, und ich fragte mich, weshalb sie sich die Mühe machten. Entweder konnte man es in diesem Stadium, oder man konnte es nicht. Auch wenn die Mädels nicht lernten, herrschte Anspannung im Haus. Ihr munteres Hallo, wenn ich ins Zimmer kam, ließ ahnen, dass ein Gespräch jäh beendet worden war, hastig ausgedrückt wie eine verbotene Zigarette. Sie hatten
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