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Das Gift des Sommers: Thriller (German Edition)

Das Gift des Sommers: Thriller (German Edition)

Titel: Das Gift des Sommers: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erin Kelly
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Minute war er wieder da; in der einen Hand trug er einen Krug Eiswasser, in der anderen eine Karaffe Gin and Tonic, und drei ineinandergestapelte Gläser klemmten bedenklich unsicher unter seinem Arm. » Ich habe auch dreimal Rostbraten bestellt«, sagte er. Mir wäre kein Essen eingefallen, das weniger appetitanregend oder passend für einen so heißen, stickigen Tag gewesen wäre, aber Biba klatschte begeistert in die Hände, und ich brachte es nicht übers Herz, Einwände zu erheben.
    » Wie findest du diesen Pub?«, fragte Biba. So ernsthaft, wie sie diese Frage stellte, klang sie wie ein Test.
    » Nett«, sagte ich lahm. » Hat irgendwie… Atmosphäre.«
    » Du weißt nicht mal die Hälfte.« Sie tauchte eine Hand in den Wasserkrug, fischte einen Eiswürfel heraus und ließ ihn auf dem Rücken unter ihr Kleid gleiten. Dann strich sie sich mit einem zweiten über die Stirn. Ihr Bruder schob einen Bierdeckel über den Tisch, damit er die Pfütze aufsaugte, die dabei entstand.
    » Ostersonntag, 1955.« Sie steckte den Eiswürfel in den Mund und zerbiss ihn laut knirschend. Ich verzog mein Gesicht zu einem Fragezeichen, und Biba seufzte. » Ruth Ellis?« Ich schüttelte den Kopf. Sie zog die Füße unter sich und drehte sich eine Zigarette, ein sicheres Zeichen dafür, dass sie im Begriff war, eine gute Geschichte zu erzählen. Rex schnalzte mit der Zunge und verdrehte die Augen, um zu zeigen, dass er das alles schon gehört hatte– ein tollkühner Akt der Aufsässigkeit nach seinen Maßstäben, auf den er aber auch sofort einen diplomatischen Rückzug folgen ließ.
    » Ich gehe die Sonntagszeitungen holen«, gab er bekannt und schlurfte hinaus, ohne seinen Drink anzurühren.
    » Wer ist Ruth Ellis?«, fragte ich, als er weg war.
    » Ruth Ellis?«, wiederholte Biba, und ihre helle Stimme war schwer von der Verachtung der Fanatikerin für die Uneingeweihte. » Das war nur die letzte Frau, die in England gehängt wurde. Hat ihren Lover hier erschossen. Sie war Hostess in einem Nightclub, er war Rennfahrer. Schick, was? Die Einschusslöcher sind immer noch draußen in der Wand.« Wie Rex mir später erzählte, wusste Biba genau, dass die Löcher draußen von einer Tafel stammten, die man irgendwann entfernt hatte und die nur nie zugespachtelt worden waren; sie sei einfach immer weiter bei ihrer fantastischen Version der Ereignisse geblieben. » Hast du je den Film darüber gesehen– Geliebt bis in den Tod? Das ist einer der Gründe, weshalb ich Schauspielerin werden wollte. Es war alles so romantisch.«
    » Aber auch ein bisschen gruselig«, sagte ich.
    » Verflucht, Karen, du bist genauso schlimm wie er.« Sie deutete mit dem Kopf auf Rex’ Glas, das ihn anscheinend in absentia vertrat. » Das ist wahrscheinlich der Unterschied zwischen euch und mir. Wo ihr das Unangenehme seht, sehe ich Drama und Leidenschaft. Keine Ahnung, was da nicht stimmt mit euch beiden.«
    Ich wusste nicht, was schlimmer war: dass sie mir die Fähigkeit zur Leidenschaft absprach, oder die Tatsache, dass ich damit etwas mit ihrem Bruder gemeinsam hatte. Um sie wieder ins Spiel zu holen, gab ich ihr einen Rippenstoß, deutete mit dem Kinn zu dem hochgewachsenen Barkeeper hinüber und zog die Brauen hoch.
    » Australier?«, formte ich mit den Lippen.
    » Schwul«, sagte sie mit Entschiedenheit, und ich machte es mir in unserem Spiel bequem wie in der Sicherheit des Mutterschoßes.
    Rex kam aus dem Zeitungsladen zurück. Er trug Stapel von Papier und Zellophan auf dem Arm. Mit einem dumpfen Schlag ließ er die Zeitungen auf den Tisch fallen, und seine Schwester fing an, sie durchzublättern und aufzuteilen.
    » Sport und Reisen für dich«, sagte sie und reichte mir die zusammengefalteten Blätter beiläufig und unverfroren. » Immobilien für Rex, Unterschichten-Trash und Boulevard-Geilheit für mich.« Sie schob die Skandalblätter und ihre grellen Beilagen zu einem losen Stapel zusammen und legte die Arme darum wie ein Kind, das seine Schulkameraden nicht abschreiben lassen will.
    Ich interessierte mich eigentlich überhaupt nicht für Sport, wenn ich ihn nicht selbst betrieb, und Reisen aus zweiter Hand in Form von Reportagen waren für mich ebenso reizlos. Deshalb stürzte ich mich nicht begeistert auf die Beilagen, die Biba mir zugewiesen hatte. Stattdessen sah ich den beiden beim Lesen zu. Biba blätterte mit manischem Konzentrationsmangel von Artikel zu Foto, schlug ihre Zeitschriften manchmal von hinten oder in der Mitte auf und

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