Das Gift des Sommers: Thriller (German Edition)
etwas anderem, das ich nicht identifizieren wollte. An dem verlassenen Kreisverkehr bei Archway ignorierte ich eine rote Ampel und parkte dann schräg und unerlaubt auf einem Anwohnerparkplatz, dem Krankenhaus unmittelbar gegenüber. Rex war schon draußen, bevor ich Zeit hatte, die Handbremse anzuziehen.
» Sind Sie verantwortlich für sie?«, fragte der Sanitäter, der seine Zigarettenpause unterbrach, um Rex zu helfen, Biba auf eine Trage zu legen und in die Notaufnahme zu bringen.
» Ja«, sagte Rex. » Ich meine, ich habe ihr die Drogen nicht gegeben, aber ich glaube, ich weiß, was sie genommen hat. Sie ist meine Schwester. Kommt sie wieder in Ordnung?«
Eine Schwester brachte ihn zur Rezeption, und er lehnte sich an die Theke und stützte den Kopf auf beide Hände. Biba verschwand in einem Abteil, das vom Korridor durch einen raschelnden Vorhang abgetrennt war, wütend gemustert mit grünen und pinkfarbenen Wirbeln. Wenn einem beim Hereinkommen noch nicht übel war, dann würde sich das schnell ändern, wenn man ein paar Augenblicke auf dieses Muster starrte.
Ich setzte mich im Schneidersitz auf den gummiartigen Boden des langen Korridors vor dem Abteil. Zum ersten Mal seit meiner Geburt war ich in einem Krankenhaus, und ich war nicht beeindruckt. Ich hatte mir immer ein weiß gestrichenes, kubistisches Paradies vorgestellt, aber die Wände waren mintgrün. In dem Korridor, in dem ich saß, gab es keine Fußleisten; der Fußboden krümmte sich aufwärts und wurde zur Wand, ein Design, das wahrscheinlich das Reinigen erleichtern sollte, aber in der konkaven Kurve wehten Staubflocken und menschliche Haare. Ein dicker, pfirsichfarbener Grat zog sich an der Wand entlang wie eine Stoßleiste. Sie sah aus, als sei sie aus einem weichen Polstermaterial, aber als ich sie berührte, stellte ich fest, dass sie aus hartem Plastik war, und ich fragte mich, wozu sie diente. Das Rattern von Gerätewagen, das Klirren stählerner Instrumente, das Heulen der Patienten und das leise Rumoren der Gespräche im Warteraum und bei den Mitarbeitern– das alles machte es mir unmöglich zu hören, was hinter dem Vorhang gesprochen wurde, wo Biba war. Irgendwo hinter einem anderen Vorhang schrie ein Mann.
Rex ging neben mir in die Hocke und blieb so. Anscheinend war er außerstande, sich darauf einzulassen, auf dem Boden zu sitzen.
» Sie wollen mich nicht reinlassen, aber sie kommen gleich raus«, sagte er. » Wenn ihr irgendetwas passiert, dann bringe ich diesen Guy vor Gericht wegen allem, was es gibt: Mord… Körperverletzung… Rauschgifthandel… Ich hätte nie erlauben dürfen, dass sie ihn mit nach Hause bringt.«
Der weiß gekleidete Arzt, der aus Bibas Abteil kam, sah aus, als sei er schon mindestens so lange auf wie wir. Schwarze Halbmonde wölbten sich unter seinen schweren Lidern, und ich fragte mich, wie lange er wohl schon arbeitete.
» Sie hat keine Überdosis von irgendwas genommen«, sagte er. » Nicht so, wie Sie annehmen. Aber sie sagt, sie hatte eine oder zwei Lines Kokain, und davon dürfte sie sich übergeben haben, wenn sie nicht daran gewöhnt ist. Sie ist nur extrem betrunken und hat womöglich eine Gehirnerschütterung. Außerdem hat sie eine Schnittverletzung am Oberschenkel, die aussieht, als könnte sie durch Rost verunreinigt sein. Wir hängen sie an einen Tropf, um sie zu rehydrieren, und behalten sie im Auge, um sicher zu sein, dass der Bums auf den Kopf keine Probleme macht. Außerdem muss das Bein genäht werden, und sie braucht eine Tetanus-Impfung.«
» Wir bleiben hier«, sagte Rex sofort.
Ich hatte seit Wochen nicht mehr geweint, aber bei der Vorstellung, die Nacht hier unter den flackernden Leuchtstofflampen zu verbringen, brannten Tränen in meinen Augen. Es waren Tränen des Selbstmitleids und der Erschöpfung, nicht nur Tränen der Besorgnis. Aber ich kämpfte sie nieder und saß zum zweiten Mal in dieser Nacht halb schweigend mit Rex zusammen. Wir wanderten zwischen Cafeteria und Korridor hin und her, und jedes Mal, wenn wir Kaffee nachtankten, sahen wir, wie das Licht sich veränderte. Am Morgen um zehn kam ein anderer Arzt und sagte, wir könnten sie jetzt nach Hause bringen. Als sie uns endlich zu ihr ließen, sahen wir das Gesicht einer schlechten Schauspielerin, die Zerknirschung darstellte.
» Ich bin müde«, sagte sie. » Ich wollte einfach schlafen, aber sie haben mich immer wieder geweckt, um zu sehen, ob ich vielleicht eine Gehirnerschütterung habe. Wenn wir zu Hause
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