Das Gift des Sommers: Thriller (German Edition)
in letzter Sekunde los. Biba merkte nichts von der Anspannung.
» Diese neue Nüchternheit genieße ich tatsächlich«, verkündete sie, auch wenn ihr Alkoholspiegel wahrscheinlich immer noch auf einem Level lag, der andere Leute den Führerschein gekostet hätte. » Ich platze vor positiver Energie.«
» Möchtest du, dass Karen und ich auch aufhören zu trinken? Wir hätten nichts dagegen.«
Nicht? Der Zorn verringerte mein neu entdecktes Verlangen. Ich war nicht sicher, ob ich schon bereit war, diese wundervolle Bewusstseinstrübung aufzugeben, die meine Abende jetzt durchflutete.
Den Wein, den wir uns an diesem Abend versagten, glichen wir durch heiße Getränke aus. Nicht zusammenpassende Becher ersetzten die leeren Flaschen auf der Veranda, auf der wir uns niedergelassen hatten. Rex hatte eine Dose Kräutertee gefunden, die Nina in der Küche hinterlassen hatte, und brühte eine Kanne nach der anderen damit auf. Der Tee roch wie etwas, das man lieber ins Badewasser schüttet, als es zu trinken. Mit Honig versetzt war er genießbar, aber ein Shiraz war es nicht. Der Übergang vom Tag in die Nacht kam mir ohne Alkohol unvollständig vor, und ich war überrascht, dass wir keinen Wein tranken, als die Sonne unterging.
Biba fing an, auf die aufgeschlagenen Seiten ihrer Illustrierten zu sabbern, und als Rex ihr vorschlug, ins Bett zu gehen, tat sie es mit ungewohnter Fügsamkeit. Rex glitt wie eine Schlange über Decken und Quilts, bis er ausgestreckt und mit dem Kopf auf meinem Bauch dalag. Ich warf einen Blick hinauf zu Bibas Schlafzimmerfenster unmittelbar über uns.
» Sie wird stundenlang schlafen«, sagte er, und seine Zähne zupften an meinem Hosenbund.
» Vielleicht nicht«, sagte ich. » Sie war den ganzen Tag im Bett.«
» Doch«, beharrte er. » Sie hat fünf Milligramm Valium bekommen.«
» Wieso sollte die Klinik ihr Valium geben?«
» Nicht die Klinik. Ich hab’s ihr in den Tee getan.«
Ich richtete mich auf, und er fiel von meinem Schoß herunter. » Du hast was getan?«
» Keine Sorge, ich weiß schon, was ich tue«, sagte er, als sei die Dosis das Problem, nicht die Tat an sich. » Nina hat immer schlecht geschlafen. Zu viel Kaffee. Sie hat eine Handvoll Downer hinterlassen, als sie wegging.«
» Mein Gott, Rex, ist es so wichtig, an mich ranzukommen, dass du deine eigene Schwester unter Drogen setzt?«
Er legte mir die Hände auf die Schultern und drückte mich sanft herunter. » Ja«, sagte er und schob sich über mich.
An diesem Abend lernte ich noch etwas über Sex: Man kann die Taten eines Menschen verabscheuen, aber das wird seine Anziehungskraft nicht im Mindesten verringern. Ich ließ mich auf die Decke zurücksinken und löste mich in seinem Kuss auf.
» Du versprichst mir, dass sie nicht aufwacht?«, flüsterte ich.
» Sie ist tot für die Welt«, sagte er.
Biba blieb eine Woche lang bei ihrem Vorsatz; sie trank nicht und konzentrierte sich ausschließlich auf ihre Karriere. Obwohl sie soeben ein dreijähriges Theaterstudium absolviert hatte, schrieb sie sich für einen Kurs an einer privaten Schauspielschule im West End ein– den Rex mit dem Geld von der Sozialhilfe bezahlte–, um sich für die Realität des Lebens als angehende Schauspielerin zu rüsten. » Eigentlich ist es furchtbar«, erklärte sie vergnügt, als sie morgens früh um acht aus dem Haus ging. » Da vertiefst du dich drei Jahre lang in Tschechow, Ibsen und Shaw und lernst Monologe auswendig, und dann kommst du raus, und es geht eigentlich nur darum, vor einer verdammten Kamera zu stehen. Aber ich lerne Schauspieler kennen, die seit Jahren arbeiten, und sie studieren immer noch. Das ist die Sache bei diesem Handwerk: Du hörst niemals, niemals auf zu lernen.«
Ich befand mich selbst in einer Steilkurve des Lernens. Jene wirren, schwülen Tage verbrachten wir in Rex’ Zimmer oder in meinem, ineinander verschränkt und stets mit einem Ohr bei der Tür. Jeden Tag war ich von Neuem überrascht und entzückt von den Möglichkeiten, die ich fand, seine spezielle Sorte Leidenschaft zu erwidern. Ich erinnerte mich an das, was Nina gesagt hatte– sie brauche es ein bisschen lateinischer –, und ich hielt sie für verrückt.
Seine Persönlichkeit veränderte sich in keinerlei Hinsicht: Das Selbstvertrauen, das er im Schlafzimmer zeigte, reichte nicht darüber hinaus. Er behandelte seine Schwester weiterhin gleichzeitig unterwürfig und kontrollsüchtig, redete neurotisch über das Haus und war verklemmt,
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