Das Gift des Sommers: Thriller (German Edition)
sind, werde ich in Ewigkeit schlafen.«
Und was dachte sie, wie es uns ging, die wir gewaltsam wach geblieben waren, ohne zu wissen, ob sie durchkommen würde?
Als ich sah, wie nachlässig der Wagen geparkt war, wunderte ich mich, dass wir keine Radklammer bekommen hatten oder abgeschleppt worden waren. Nur ein Strafzettel klemmte unter dem Scheibenwischer. Rex steckte ihn ein und versprach, sich darum zu kümmern. Das sei das Mindeste, was er tun könne. Wenn ich bei der Fahrt ins Krankenhaus schon nicht mehr fahrtüchtig gewesen war, dann ging es mir auf der Heimfahrt noch schlechter. Ich war wieder nüchtern, aber ich taumelte unter der Last einer Müdigkeit, von der ich nicht gewusst hatte, dass es sie geben konnte, und der Weg nach Hause war schon seit acht Uhr vom Berufsverkehr verstopft. Ich nahm die Route durch Highgate Village; das war zwar ein Umweg, aber ich dachte mir, ich würde dort nirgends so schnell fahren können, dass ich ernsthaften Schaden anrichten könnte. Trotzdem musste Rex mich zweimal auf Fußgänger aufmerksam machen, die ebenfalls in Whittington gelandet wären, wenn er es nicht getan hätte.
Biba stank nach abgestandenen Desinfektionsmitteln, und ich fragte mich, ob der Krankenhausgeruch sich auch in mein Haar und meine Kleider gesetzt hatte. Sie spürte, dass ich kaum merklich zurückzuckte, als ich ihr beim Aussteigen half.
» Ich weiß… Ich weiß. Ich bin eklig. Ich werde jetzt alles abwaschen. Ich glaube, ich habe Kotze in den Haaren.«
Ich hörte, wie sie unter der Dusche leise aufschrie, als der Seifenschaum in der Naht an ihrem Bein brannte, die sie natürlich gar nicht nassmachen durfte. Während sie duschte, zog ich ihr Bett ab. Sie hatte darin geraucht: Aschekrümel waren auf dem Laken zu kleinen grauen Kometen verwischt. Ich bezog das Bett frisch und wartete auf sie.
» Schätzchen«, sagte sie, als sie tropfend hereinkam, » das ist das Netteste, was jemals jemand für mich getan hat. Du bist die beste Freundin, die ich mir wünschen könnte. Ich habe dich nicht verdient.«
» Das hast du wirklich nicht«, sagte ich. » Komm her.« Sie legte den Kopf auf meinen Schoß, und ich kämmte ihre feuchten Strähnen mit den Fingern. Ihr nasses Haar lag wie ein kühlendes Polster auf meinen Schenkeln.
» Sie waren nicht sehr nett zu mir da drin«, murmelte sie. » Sie wussten, dass es ein Unfall war. Dass ich bloß eine normale Saufnase war. Die behandeln dich völlig anders, wenn sie glauben, du hast es ernst gemeint. Letztes Mal waren sie ganz wundervoll.«
Der Abend war das schreckliche Gegenteil der ersten, endlosen Nacht gewesen, die ich in diesem Haus verbracht hatte. Je mehr ich damals, am Abend von Bibas Party, versucht hatte, die Stunden in die Länge zu ziehen, desto rascher hatten sie sich in Minuten verwandelt und waren an mir vorbeigerauscht. Aber wieder versank ich am Morgen vollständig bekleidet und dankbar in einem tiefen Schlaf. Erst um drei Uhr nachmittags wachte ich auf, als eine drohende Implosion in meinem Bauch mich daran erinnerte, dass ich seit vierundzwanzig Stunden nichts mehr gegessen hatte. In der Küche war nur ein Büschel braunfleckiger Bananen. Ich aß drei und nahm die beiden anderen und einen Krug Wasser mit hinauf ins Bett.
Aus Bibas Zimmer kam ein leises Schnarchen, aber ein Geräusch bei Rex, das klang wie ein Lachen, verriet mir, dass er wach war. Mein Schleichen war nicht leise genug; in rauem Flüsterton rief er meinen Namen. Er saß im Schneidersitz auf seinem makellos gemachten Bett. Er trug sein Rolling-Stones-T-Shirt und Boxershorts, und in der rautenförmigen Lücke zwischen seinen Beinen stand ein Becher Tee. Ein verrücktes Grinsen entblößte seine oberen und unteren Schneidezähne, und er wiegte sich vor und zurück. Es dauerte ein paar Augenblicke, bis ich erkannte, dass er nicht lachte, sondern weinte. Ich hatte noch nie einen Mann weinen sehen. Es war zu gleichen Teilen faszinierend, abstoßend und mitleiderregend, und ich wusste, ich würde alles sagen oder tun, was ich konnte, damit er aufhörte.
» Möchtest du eine Banane?«, fragte ich. Er schlug die Frucht beiseite, die ich ihm hinhielt.
» Ich dachte, ich hätte sie verloren«, brachte er schluchzend hervor. » Ich dachte, sie würde sterben.«
» Oh, Rex.« Ich setzte mich neben ihn. » Hast du überhaupt nicht geschlafen?« Er schüttelte den Kopf.
» Ich bin so müde«, sagte er, und ich hatte den Eindruck, er redete nicht nur von den letzten paar Stunden.
Weitere Kostenlose Bücher