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Das Gift des Sommers: Thriller (German Edition)

Das Gift des Sommers: Thriller (German Edition)

Titel: Das Gift des Sommers: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erin Kelly
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aufmerksam zu machen.
    Guy sehe ich nicht so oft, aber wenn ich jemanden treffe, der ihm ähnlich sieht, zucke ich zurück. Auch er ist ein Archetyp; der jugendliche Stamm, dem er angehörte, hat sich im Laufe der letzten zehn Jahre kaum weiterentwickelt, selbst für mein ungeübtes Auge. Man sieht sie überall, diese reichen Jungs, die sich kleiden, als wären sie arm: verblichene Jeans und Designer-Joggingjacken, Laufschuhe, die niemals das Tempo und die Beanspruchung erleben werden, für die sie gemacht sind. Pub-Schuhe nannte Simon sie immer. Wie bei Nina und ihren Kindern komme ich nie auf den Gedanken, dass auch er sich wahrscheinlich weiterentwickelt hat und eine neue Frisur und andere Kleidung trägt.
    Biba ist natürlich überall. Ich transponiere ihr Gesicht auf so gut wie jede weiße Frau zwischen achtzehn und dreißig. Aber ich suche sie heute nicht mehr so oft wie früher.
    Manchmal waren die, die ich gesehen habe, keine Phantome. Rachael, Bibas Schauspielerfreundin, habe ich vor vier Jahren gesehen, als ich mit Alice im Theater in Covent Garden war. Ihr weiß gebleichtes Kurzhaar war zu einem glänzenden, weizenblonden Schleier kultiviert worden, aber ihr Gesicht war noch genauso wie früher. Es war, als habe sie sehr lange gegen ihr gutes Aussehen gekämpft und dann beschlossen, sich so resigniert damit abzufinden, wie wir anderen uns mit Gewichtszunahme oder grauen Haaren abfinden. Sie ging Arm in Arm mit einem älteren Mann, der einen weißen Seidenschal und schwarze Lederhandschuhe trug. Ein winziger Hund klemmte unter ihrem anderen Arm und streckte schnuppernd die Nase in die Luft, und Alice rief, die Frau da habe eine Ratte in der Handtasche. Rachael sah Alice an, aber anscheinend entdeckte sie keine Spur von ihren früheren Freunden im Gesicht meiner kleinen Tochter.
    Tris und Jo habe ich auch gesehen, im Fernsehen und zusammen mit dem größten Teil unseres Landes. Die Dokumentarfilmreihe über ihren Versuch, eine CO 2 -neutrale, netzunabhängige, autarke Lebensweise in den schottischen Highlands zu entwickeln, war der TV -Hit der Saison. Die natürliche Wärme, die es unmöglich machte, sie nicht zu mögen, überträgt sich auch auf den Bildschirm, und sie haben ihre Fähigkeit behalten, Menschen zu erziehen, ohne zu predigen. Sie haben jetzt eine Brut von vier oder fünf Freilandkindern, die genauso blond und bronzebraun und verlottert aussehen wie ihre Eltern. Ich habe das Buch zur Serie gekauft; es steht mit dem Rücken nach hinten im obersten Regal, und ich werde es herausziehen und Rex zeigen, wenn er so weit ist– oder wenn ich es bin. Die Entdeckung, dass sie einmal in dem Haus in Highgate gewohnt haben, wäre der Traum eines Journalisten, aber das bereitet mir kein großes Kopfzerbrechen. Tris und Jo haben niemals einen Fußabdruck– aus CO 2 oder sonst wie– hinterlassen, wo immer sie gelebt haben, und ihr Prinzip erstreckte sich auch auf Geld, Formulare und Dokumente. Sie waren ebenso wenig offizielle Bewohner der Queenswood Lane gewesen wie ich. Manchmal frage ich mich sogar, ob sie überhaupt wissen, was zwei Monate nach ihrem Fortgang dort passiert ist. Ich stelle mir vor, dass sie ohne Fernsehen und Zeitungen leben. Berühmt ist das Jahr, in dem sie Großbritannien in einem Zigeunerwagen bereist haben; Jo war damals mit ihrem ersten Kind schwanger, und die Kleine ist so alt wie Alice. Vielleicht waren sie damals schon unterwegs, als Rex in die Nachrichten kam, und sie waren es noch, nachdem er verurteilt worden ist. Vielleicht wissen sie aber auch Bescheid und sind genauso erpicht darauf wie alle anderen, ihre Beziehung zu dem Fall nicht öffentlich zu machen. Vielleicht reden sie über Rex und Biba und spekulieren darüber, was passiert sein und was zu alldem geführt haben mag. Ich wette, sie fragen sich nie, was wohl aus mir geworden ist. Es ist eine Ironie des Schicksals, dass ich in einem spukhaften Leben wie meinem selbst das matteste, nebelhafteste Gespenst von allen bin. Mein Gesicht und meine Persönlichkeit werden inzwischen in Vergessenheit geraten sein, wenn man sich überhaupt je an sie erinnert hat. Zero Trace. Keine Spur.
    Ich hätte nicht am Steuer sitzen dürfen, als wir zum Whittington Hospital hinunterrasten, aber Rex war auch nicht nüchtern, und er hielt seine Schwester in den Armen. Sie war jetzt halb bei Bewusstsein; ihr Kopf ruhte auf seiner Schulter, und ihre nackten Füße, schmutzig vom Wald, lagen auf meinem Schoß. Sie roch nach Erbrochenem und nach

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