Das Gift des Sommers: Thriller (German Edition)
Idee halte, sich mit ihm einzulassen, Schatz«, sagte Rex. » Er ist ständig bedröhnt. Willst du so jemanden im Moment in deiner Nähe haben? Dies ist die entscheidende Situation, auf die wir uns seit Jahren vorbereiten. Du hast seit– wie lange?– seit vier Stunden hast du einen Agenten. Jetzt solltest du deine ganze Energie in deine Arbeit stecken.«
Biba reckte das Kinn in die Luft. Ihr Bühnen-Make-up verkrustete allmählich an Mundwinkeln und Nasenflügeln, und der dicke schwarze Lidschatten wurde bröckelig und klebte in den federzarten Fältchen an ihren Augen.
» Jemand wie Guy könnte mir tatsächlich helfen, mich als Schauspielerin zu entwickeln. Ich kann nicht immer nur mit netten Theaterstudenten aus der Mittelklasse umgehen. Ich meine, ich werde nicht jedes Mal für einen Kostümfilm vorsprechen. Es gibt eine komplette andere Seite der Gesellschaft, mit der ich keinerlei Erfahrung habe und von der du im Theaterstudium nichts erfährst. Guy hat Zugang zu diesen Leuten, zu echten, lebendigen Leuten. Sogar für Tris und Jo ist es doch nur ein Spiel, wenn sie sich unter das gemeine Volk mischen…«
Ich habe mich oft gefragt, ob Guy, der in diesem Moment zurückkam und sich neben ihr niederließ, diese Bemerkung gehört hatte. In dem Augenblick hätte es kaum etwas geändert; sie hätte nichts sagen können, was sein Verlangen nach ihr gedämpft hätte. Aber er konnte es gehört haben, und wenn er nicht gescheit genug war, um das Konzept des Method Acting oder die Implikationen, die es mit sich brachte, zu begreifen, hätte er doch auf jeden Fall verstanden, wen sie mit dem » gemeinen Volk« gemeint hatte, auch wenn er, wie ich vermutete, selbst kaum mehr als ein Tourist zwischen den Klassen war. Hätte das Einfluss auf das gehabt, was er später tat, auf die Dummheit, die er beging und die alles veränderte? Wahrscheinlich nicht. Noch heute, Jahre später, suche ich nach Hinweisen darauf, dass die Schuld vielleicht anderswo liegen könnte.
Die Geilheit der beiden sperrte uns aus. Seine Hände waren an ihrem Körper unterwegs, und sie hatte die Beine um seine Taille geschlungen. Etwas mehr als die übliche Eifersucht auf jeden, der näher an Biba herankommen konnte als ich, versetzte mir einen Stich. Es war die schmerzhafte Sehnsucht nach etwas, das ich noch nie erlebt hatte. Ihr Kuss wurde lauter; es klang, als lasse jemand Olivenöl in eine Schüssel Pasta gluckern. Das Geräusch war abstoßend, der Anblick betörend.
Rex hatte sein Weinglas noch einmal gefüllt und war schon oben auf der Treppe. Ich konnte mir nicht verkneifen, einen letzten Blick in das Samtzimmer zu werfen, bevor ich die Tür hinter mir schloss. Sie hatten es geschafft, ihre Körper zu entflechten, und Guy hockte vor dem Couchtisch. Er hatte ein Häufchen feines weißes Pulver aus einem zusammengefalteten Stück Papier auf eine CD geschüttet und zerschnitt es mit einer Kreditkarte in dünne Linien, während Biba Wein nachschenkte.
» Mach dir keine Sorgen wegen Guy«, sagte ich zu der einsamen Silhouette oben in der Zimmertür. » Er ist bloß ein gut aussehender Gangster. Was ihr an ihm gefällt, ist der Reiz des Neuen. Wahrscheinlich werden wir ihn nach dieser Nacht nie wiedersehen.«
» Nach meiner Erfahrung ist ein gut aussehender Gangster den Mädchen jederzeit lieber als ein braver Kerl. Trotzdem hast du vielleicht recht.« Er presste die Handballen auf seine Augen. » Ich glaube nicht, dass ich ihretwegen heute Nacht aufbleibe. Ich glaube, ich werde ausnahmsweise versuchen zu schlafen.«
Die folgenden Stunden waren unruhig. Der Wein, den ich getrunken hatte, machte mich schläfrig, aber der Joint– vielleicht lag es nur am ungewohnten Nikotin, vielleicht auch an der Qualität von Guys Cannabis– ließ mein Herz laut und unregelmäßig in den Ohren klopfen. Ich schlief nicht tief und versuchte immer wieder, aus unbehaglichen Träumen aufzuwachen. Das Samtzimmer hatte sich in eine Bühne verwandelt, und Bibas Alter Ego sang ihr deutsches Lied, während ihr wahres Ich sich mit uns anderen auf dem Boden ausstreckte. Unsere Kleider verhedderten sich ringsum ineinander und trieben davon wie Seetang, und unsere Körper fanden zueinander, ganz ohne Worte. Biba war der Mittelpunkt der Orgie: Manchmal küsste sie Guy, während Rex meine Haut streichelte, dann wieder hielt sie das Gesicht ihres Bruders mit beiden Händen und durchforschte seinen Mund mit ihrer Zunge, und als Nächstes schlängelte sie sich durch meinen
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