Das Gift des Sommers: Thriller (German Edition)
Ich hatte keine Worte, um ihn zu trösten; also breitete ich die Arme aus, und er ließ sich hineinfallen wie ein kleiner Junge. Ich atmete in seinem Haar, während ich es streichelte. Rex roch wie Biba, aber auch wie er selbst– wie die kaum merklich veränderte Mischung desselben Dufts. Bei seinem Duft bestand die Kopfnote aus Seife statt aus Zigaretten. Ich wartete, bis ich sicher war, dass er nicht mehr weinte, bevor ich versuchte, mich zurückzuziehen.
Er rückte nach und schmiegte seine Stirn eine ganze Weile an meine. Dann drückte er sanft und langsam seine Lippen an meine. Ich erwiderte seinen Kuss. Er schmeckte nach Salz und gezuckertem Tee. Das Gefühl des absoluten Nachgebens war unvermittelt und unvertraut, aber sofort erkennbar. Ich war flüssig wie warme Milch und verblüfft von jäh anschwellenden Instinkten, von denen ich nicht gewusst hatte, dass ich sie besaß, und von einer Zuversicht, die eine Offenbarung für mich war. Die Eigenschaften, die Rex zu einem frustrierenden Hausgenossen machten, ließen ihn einen wunderbaren Liebhaber sein. Sein Zögern und seine Rücksichtnahme, seine Aufmerksamkeit für jedes Detail, waren genau das, was ich brauchte, ohne es je gewusst zu haben. Der Orgasmus, den er mir entlockte, war mein erster.
» Das wollte ich schon so lange«, sagte er, als es vorbei war. » Seit ich dich zum ersten Mal gesehen habe. Du bist das schönste Mädchen, mit dem ich je geschlafen habe.«
Sekunden später schlief er. Ich drückte ihm einen Kuss ins Kreuz und schlich mich hinauf auf meinen Dachboden. Als ich aufwachte, dauerte es ein paar Sekunden, bis mir klar war, dass das staubig graue Licht in meinem Zimmer kein Morgengrauen, sondern Abenddämmerung war.
Die beiden saßen am Küchentisch. Biba, nachsichtheischend in eine sittsame, blassgelbe Kittelbluse gekleidet, hatte offensichtlich einen erholsamen Schlaf hinter sich. Außer einer roten Schramme an ihrer Stirn wies nichts auf das hin, was sie hinter sich hatte. Rex’ hohläugiger Blick dagegen war schlimmer als jeder Tadel und gab mir das Gefühl, ich hätte einem Hündchen ins Gesicht getreten. Meine Gewissensbisse waren so schmerzhaft, dass ich sie körperlich spürte. Biba hatte eine Auswahl von Illustrierten und Zeitungen vor sich ausgebreitet– The Stage, glaube ich, eine Zeitschrift der Theatergewerkschaft, und einen dicken Klotz von einem Buch, The Actor’s Yearbook. Sie und Rex waren dabei, mit pinkfarbenen und blauen Filzstiften Kringel um Kurse, Vorsprechtermine und Theaterkompanien zu machen, die vielleicht interessant sein könnten. Sie war darin vertieft, aber er sah nur mich.
» Ich habe Rex schon gesagt, wie leid es mir tut«, erklärte sie, ohne von der Seite vor ihr aufzublicken. » Aber jetzt wird sich alles ändern. Ich weiß, ich habe euch beiden einen Schrecken eingejagt– und mir selber auch. Fuck … Ich werde nie wieder trinken.«
» Und du wirst Guy nie wiedersehen.« Rex sah mich immer noch an.
» Und ich werde Guy nie wiedersehen«, bestätigte Biba und drehte ihr Tabakpäckchen um, damit wir sehen konnten, dass es leer war. » Obwohl ich mich allerdings zu erinnern glaube, dass er irgendwo bei dem Sitzsack eine Packung Zigaretten hat liegen lassen. Die muss ich doch nicht auch boykottieren, oder? Ich meine, spare in der Zeit, dann hast du in der Not. Ich würde wirklich ungern auf Selbstgedrehte zurückgreifen.« Sie schwang die Beine über die Bank und ging hinauf zum Samtzimmer. Rex und ich waren allein.
» War es so schlecht, dass du weggehen musstest?« Mehr sagte er nicht.
» Nein! Überhaupt nicht! Ich wollte nur nicht, dass Biba mich da findet.« Er langte über den Tisch nach meiner Hand und malte mit dem Daumen Kreise in meine Handfläche. Sein Körper fing an, einen Sog auf mich auszuüben. » Rex. Es war unglaublich. Noch nie hat jemand es geschafft, dass ich komme.« Und noch nie hatte ich mich so explizit ausgedrückt. Ich glaube, es war das erste echte Lächeln, das ich je bei ihm gesehen habe. Es nahm sein ganzes Gesicht in Anspruch und verlieh ihm eine Schönheit, die nicht hinter Bibas zurückstand. Ihre Schritte auf der Treppe und eine Rauchwolke, die ihr vorauswehte, verrieten uns, dass sie die Zigaretten gefunden hatte.
» Heute Abend?«, fragte er flüsternd. Ich wusste nicht genau, wann wir verschwörerisch verabredet hatten, dass sie nichts davon wissen sollte, aber die Vereinbarung war so klar, als hätten wir einen Vertrag unterschrieben. Er ließ meine Hand
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